Die Kunst der Stickerei ist ebenfalls eine Volkskunst, die früher
ganz in den Händen der Chinesinnen lag. In den ländlichen Gebieten
Chinas nutzten junge Mädchen ihre Freizeit, um sich ihre Aussteuer
zusammen zu nähen. Am Tag der Hochzeitsfeier nahmen sie ihre
Stickarbeiten zur Familie ihres Mannes mit und die
Familienmitglieder ihres Mannes beurteilten sie nach der Qualität
ihrer Handarbeitskünste. Während der Schwangerschaft sowie nach der
Geburt nähten und bestickten sie Kleidungsstücke für das Kind.
Diese Kunstfertigkeit wurde von der Mutter an die Tochter
weitergegeben.
Da
häufig das Ergebnis der Stickerei einem Schmuckstück gleicht, legt
man auch heute noch bei der Herstellung dieser Arbeiten großen Wert
auf die Farbgestaltung. Hier darf der Fantasie freien Lauf gelassen
werden, so daß beispielsweise Blätter nicht grün, sondern in einer
anderen Farbe gestickt werden. Auf diese Weise wollten und wollen
die Frauen ihr hartes Schicksal vergessen und malten bzw. malen
sich ein heiteres, farbenfrohes Leben in der Zukunft aus.
Wie bei den Scherenschnitten finden auch die Stickereien der
Miao-Nationalität große Beachtung im In- und Ausland. Auf schwarzem
Stoff als Hintergrund werden prächtige Drachenmotive gestickt. Der
Drache sieht wie ein sagenumwobenes Lebewesen aus. Eine Mischung
aus Fisch, Tausendfüßer und Schlange, aber in der Mimik längst
nicht so grausam wie seine Kollegen im Kaiserpalast.
Nach den Sitten und Gebräuchen einiger Nationalitäten schenken
deren junge weibliche Angehörige gerne ihrem Geliebten Einlegesohle
mit bestickten Blumen- oder Schmetterlings-Motiven. Dadurch wollen
sie erreichen, daß ihre Auserwählten beim Tragen ihrer Schuhe immer
an sie denken. Wenn sie ihnen aber ein Paar Mandarinenten, einen
Drachen und einen Phönix sticken, dann sind das Ausdrücke ihres
Wunsches, daß sie sich später als Ehepaar jeden Tag liebevoll
zugetan sein wollen.