CIIC: Seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen
China und Österreich sind 30 Jahre vergangen. Inzwischen haben sich
die bilateralen Beziehungen gut entwickelt. Könnten Sie uns einen
Rückschau über deren Entwicklung in den letzten Jahren geben?
Botschafter: Danke schön, dass Sie mir die Gelegenheit geben, ein
paar Worte über die chinesisch-österreichischen Beziehungen zu
sagen. Sie haben bereits erwähnt, die Volksrepublik China und
Österreich haben vor 30 Jahren, genau am 28. Mai 1971, die
diplomatischen Beziehungen aufgenommen. Es war eine Wiederaufnahme,
denn wir hatten vor der Gründung der Volksrepublik China durch
lange Jahre hindurch diplomatische Beziehungen, die zurückreichen
auf die Qing-Dynastie. Ich kann mit Freude sagen, dass sich die
Beziehungen seit ihrer Aufnahme vor 30 Jahren eigentlich so ständig
entwickelt haben, dass es nie Flektionen und Schwierigkeiten in den
bilateralen Beziehungen gegeben hat. Man muß natürlich sagen, dass
durch die Reform- und Öffnungspolitik, die von Deng Xiaoping
eingeführt wurde, unsere Beziehungen sich auch sehr viel stärker
vertieft haben. In den letzten zehn Jahren gibt es wesentlich mehr
bilaterale Aktivitäten, als bis jetzt der Fall war.
Auf dem politischen Gebiet haben sich die Republik Österreich und
die Volksrepublik China innerhalb von internationalen
Organisationen sehr eng zusammengearbeitet. Die Volksrepublik China
hat, und das ist für Österreich sehr wichtig, Wien als das dritte
Amtssitz der Vereinten Nationen immer sehr unterstützt. Wir haben
in internationalen Gremien zusammengearbeitet.
Auch auf dem Gebiet Wirtschaft hat sich in den letzten zehn Jahren
eine sehr große Ausweitung ergeben. Wie Sie wissen feiern wir heute
nicht nur das 30jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer
Beziehungen, sondern auch das 35jährige Jubiläum der Errichtung
einer Handelsmission, einer Vertretung der österreichischen
Wirtschaftskammer, die im Jahr 1966 in China errichtet wurde, die
natürlich auch einen sehr wichtigen Beitrag zur Vertiefung und zum
Ausbau unserer Beziehungen geleistet hat. Und es sei all denen, die
dazu beigetragen haben, auch an dieser Stelle herzlich bedankt,
unseren chinesischen Kollegen genauso, wie den österreichischen
Firmenvertetern und Institutionen. Das Handelsvolumen zwischen
unseren beiden Staaten hat sich während den letzten fünf bzw. sechs
Jahren vervielfacht. Allein im letzten Jahr hat China ein
Exportzuwachs von über 30% erzielt, und sein gesamtes Exportvolumen
von 17 Mrd. US-Dollar (ausgeschlossen Hong Kong, Macao und Taiwan).
Die österreichischen Exporte sind weniger gut entwickelt, aber wir
hoffen, dass es auch auf diesem Gebiet in Zukunft noch eine
Ausweitung geben wird.
Auf dem kulturellen Sektor haben wir einiges zustande gebracht.
Österreich ist bekannt in China als Land der Musik, denn die
österreiche Musik ist in China nicht nur von Experten sondern auch
von einfachen Bürgern anerkannt. Aber das ist nur ein einiges
Teilaspekt. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen, die österreichische
Kultur ist mehr als Musik, und ich freue mich daher, dass wir
gerade in den letzten Jahren eine sehr enge Zusammenarbeit auf dem
Gebiet der Universitäten haben. Jetzt gibt es eine Kooperation
zwischen der Universität Wien, der Universität Salzburg und
österreichischen Universitäten im allegemeinen mit den großen und
berühmten Universitäten in China, angefangen von der
Peking-Universität bis zur Tongji- und Fudan-Universität in
Shanghai und der Universität Sichuan. Im Januar dieses Jahres wurde
auch ein Abkommen mit der Universität Jilin und Changchun
abgeschlossen. Dies ist derzeit Chinas größte Universität seit dem
Zusammenschluß mit ca. 65 000 Studenten. Also das ist für mich ein
sehr wichtiges Anliegen. Ich glaube, es ist sehr schön, wenn man
eine Ausstellung veranstaltet; aber fünf bis sechs Monate später
ist die Ausstellung wieder zu einem guten Teil vergessen. Wenn man
einem Studenten oder einem Wissenschaftler Ausbildungsmöglichkeit
bzw. die Möglichkeit bietet, mit Fachkollegen zusammenzuarbeiten,
wird dies sehr nachhaltig wirken und eine positive Wirkung über
Jahre hinaus haben.
CIIC: Sie haben erwähnt, daß der bilaterale Handel inzwischen sehr
schnell entwickelt hat. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wie kann
sich der Handel zwischen China und Österreich ergänzen?
Botschafter: Österreich exportiert nach China Maschinen und
Anlagen. Inzwischen hat er sich ein bißchen verändert und auch auf
Maschinen und leichtindustrielle Produkte bewegt. Zu erwähnen ist,
auf dem Gebiet Wasserkraft hat Österreich eine sehr lange
Tradition. So können wir mit der VR China, in deren vielen
Provinzen noch Wasserkraftwerke zu bauen sind, diese Zusammenarbeit
ausbauen. Ein sehr wichtiger Bereich für China ist der
Umweltsektor. Mit der zunehmenden Industrialisierung verschärft
sich immer das gesamte Umweltproblem. Dies ist eine sehr wichtige
Frage, die gelöst werden muß, denn es steht in engem Zusammenhang
mit dem Tourismus. China wird wahrscheinlich in zehn bis fünfzehn
Jahren die führende Tourismusnation der Welt sein. Die höchste
Touristenzahl wird China verzeichnen können. Jeder Tourist will
eine saubere Umwelt haben. Sie wissen, dass Österreich ein sehr
wichtiges Tourismusland ist und viele Erfahrungen auf diesem Gebiet
hat. Unsere Einkünfte aus dem Tourismus betragen im Jahr 14 bis 15
Mrd. US-Dollar, das ist für ein Land mit 8 Mio. Menschen sehr viel.
Wie haben in einer gewissen Zeit auch Umweltprobleme. Nur wenn die
Umwelt gesund ist, hat man die Möglichkeit, ausländische Touristen
ins Land zu bringen. China hat auf allen Gebieten wunderschöne
Orte, Wasser, und Berge, die alle sehr interessant sind. Aber wie
gesagt, Umweltbewußtsein ist sehr wichtig. Es gibt zu viele
Umweltprobleme. Es wird etwas gemacht werden müssem. Wir haben sehr
viel investiert. Es ist zwar nicht billig, aber schließlich lohnt
es sich.
CIIC: Österreich hat in das „Grüne Projekt“ in Foshan, Provinz
Guangdong, 3,47 Mio. Euro investiert, um der Stadt beim Kauf von
Abwasserkläranlagen zu helfen. Könnten Sie uns ein paar Worte
darüber sagen?
Botschafter: Ich kenne das Projekt. Aber wir haben noch größere
Projekte. Wir haben in Shanghai große hochtechnologische Projekte
für die Produktion Mobiltelefonzuteilen mit einer Investition von
über Hundert Mio. US-Dollar bzw. für Fahrzeugmotoren durchgeführt.
Es gibt noch über 30 Projekte in verschiedenen Gebieten Chinas für
Abwasserreinigung.
CIIC: Österreich ist eine Großmacht im Sinne der Menschenrechte,
zeigt aber Verständnis und Unterstützung für die
Menschenrechtsfrage in China. Aus welcher Betracht hat Österreich
dies getan?
Botschafter: Wir verfolgen eine konstruktive Politik. Es gibt einen
Menschenrechtsdialoge zwischen der Volksrepuiblik China und anderen
Nationen. Und ich glaube, dass dort es Fragen gibt. Man muß die
Dinge besprechen. Der wichtigste ist Dialog, wo jede Seite ihre
Auffassung darlegen kann, und wo wir versuchen, dass wir gemeinsam
hin auf eine Lösung arbeiten können. Österreich tritt immer als
kleines Land für Dialog ein und ist gegen jede Art der
Konfrontation, weil ich denke, Konfrontation wird nicht weiter
helfen. Deswegen arbeiten wir mit der VR China sehr eng zusammen
und diese Linie wird weiter verfolgt.
CIIC: Durch das Gespräch habe ich das Gefühl, daß Sie ein
China-Kenner sind. Könnten Sie uns Ihren Eindruck über die
Veränderungen in China äußern?
Botschafter: Ich war im Jahr 1976 als Sekretär der Botschaft in
China. Das Jahr 1976 war ein sehr wichtiges Jahr in der Geschichte
Chinas. Es war der Tod des Ministerpräsidenten Zhou Enlai, es war
Tod des Vorsitzenden Mao Zedong, es war das Erdbeben und es war das
Ende der Viererbande. Im Jahr 1978 begann das neue Ära, als die
Reform- und Öffnungspolitik in China eingeführt wurde. Seither ist
Beijing eine neue Stadt geworden. Ich habe viel durch das Land
gereist, immer mit Wirtschaftsdelegationen. Man sieht den Aufbruch,
man sieht natürlich auch Herausforderungen. Als ich 1980 die
Botschaft verlassen habe, hatte das Land eine Milliarde Menschen.
Heute ist es fast 300 Mio. Mehr als damals. Das ist natürlich auch
für die Regierung eine große Herausforderung. Sie muß den Menschen
mit Wohnungen versorgen, medizinisch versorgen und auch dem
Lebensumfeld. Ich denke, es gibt nicht nur für die VR China, es
gibt für das ganze Europa genauso, wie viele alte Städte der Welt,
die Umweltfrage. Es gibt für Umweltprobleme keine Grenze. Deshalb,
jeder von uns, jeder Staat und jede Regierung, hat die Aufgabe,
einen Beitrag dazu zu leisten, daß auch in den nächsten
Generationen eine Umwelt vorsieht, wo zu leben sind. Wir müssen der
ganzen Umwelt bewußt sein, so daß wir der jungen Generation dazu
erziehen müssen. Wenn ich so sage, das ist keine Schmeichelei, daß
es noch nie eine große Zahl an Menschen so gut gegangen ist wie
heute in der VR China. Aber man sieht natürlich, daß materielle
allein nicht genug ist, mann will dann auch eine ordentliche Umwelt
haben. Das ist vor allem der sorgsame Umgang mit dem Wasser. Auf
diesem Gebiet müssen wir eng miteinander zusammenarbeiten.
CIIC: Der Staatsbesuch des österreichischen Bundespräsidenten steht
vor der Tür. Worin liegen die Hauptziele seines Besuches?
Botschafter: Der unmittelbare Anlass ist natürlich das 30jährige
Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen unseren
beiden Ländern. Ich glaube, man kann das nicht besser feiern, als
durch den Besuch des Staatsoberhauptes. Er wird noch von einer
großen Wirtschaftsdelegation mit über 70 Firmenvertretern
begleitet. Zudem wird der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich und eine 40- bis
50köpfige Journalistengruppe auch dabei sein. So besteht die
Möglichkeit, die weitere Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern
auszubauen. Der Bundespräsident wird ferner noch die Stadt Shanghai
besuchen, wo er Gespräch mit dem Oberbürgermeister dieser Stadt
führen und einer Grundsteinlegung für ein großes Projekt
Österreichs beoiwohnen wird.
CIIC: Beijing ist dabei, die Ausrichtung der Olympiade 2008 zu
bewerben. Was soll die Stadtverwaltung, Ihrer Meinung nach, noch
tun, um die Bewerbungsarbeit zum Erfolg zu führen?
Botschafter: Ich bin davon überzeugt, dass Beijing ausgezeichnete
Organisatoren hat. Ich halte die Umweltfrage für die dringlichst zu
lösende Frage. Die Unterstützung durch die Bevölkerung ist auch von
äußerster Wichtigkeit. Ich hoffe persönlich, daß Beijing dabei
Erfolg erzielen kann, was dieser Stadt mehr Entwicklungschancen
anbieten wird.
CIIC: Könnten Sie ihre Eindrücke über die Stadt Beijing äußern?
Botschafter: Ich war zwischen 1970 und 1972 das erste Mal in China,
und war dann von 1776 bis 1978 als Botschaftssekretär hier. Und
jetzt, 20 Jahre später, bin ich wieder zurückgekommen. Ich kenne
China, wie es 1978 war, daher freue ich mich sehr, wie es im Jahr
2001 ist. Das gesamte chinesische Volk kann mit Recht sehr stolz
darauf sein, was es in der Zeit erreicht hat, und wir können alle
optimistisch in die Zukunft blicken. Ich glaube, daß die
Fortschritte immer rascher gehen werden, denn der schwierigste ist
immer am Anfang.
Manchmal tut es mir auch leid, dass die alte Stadt, die
wunderschönen alten Wohnviertel und Hutongs, allmälich verschwunden
sind. Ich denke, Beijing soll seine Charakter behalten. Ich weiß
natürlich, es ist schwierig für die Regierung, das alles zu
finanzieren. Aber ich hoffe, dass die Regierung einen Weg finden
wird, die Beziehung zwischen den Anforderungen der modernen Zeit
und der Beibehaltung der traditionellen Bausubstanzen gut zu
behandeln.
CIIC: Vielen Dank für den Interview.
(www.china.org.cn/14. Mai 2001)