Am Sonntag forderte ein Mitglied des Landeskomitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV), dass China ein Gesetz zur Bekämpfung der Gewalt in Familien erlassen soll, mit dem Ziel, Familien zu Keimzellen der sozialen Stabilität wachsen zu lassen.
Auch Wu Changzhen, Mitglied der PKKCV und Expertin für Eherecht, die an der 5. Tagung des 9. Landeskomitees der PKKCV teilnimmt, die am Sonntag Nachmittag begann. Sie erwägt, während der Tagung für solch ein Gesetz einen Antrag vorzulegen.
Laut Wu sollen mit Hinblick auf die Bekämpfung von Gewalt in Familien Verwaltungsregelungen und -bestimmungen sowie Gesetze über Straf- und Zivilrecht erlassen werden. Eigens zu diesem Zweck soll ein unabhängiger Gesetzesentwurf verfasst werden.
Sie erklärte, dass über 40 Länder und Regionen auf der Welt Gesetze und Regelungen über Gewalt in Familien und über 20 Orte in China ähnliche Regelungen zu diesem Thema erlassen haben. All diese können als Referenz für den Entwurf eines nationalen Gesetzes mit Hinblick auf die Bekämpfung der Gewalt in Familien herangezogen werden.
Eine erst kürzlich durchgeführte Studie belegt, dass die Zahl der Fälle von Gewalt in Familien in China zwischen den 80- und 90-er Jahren um 25,4 Prozent anstieg. Neuesten Statistiken zufolge haben rund 20 Prozent der chinesischen Familien Probleme mit Gewalt.
Die zuständigen Behörden in Beijing hatten im letzten Jahr über 120000 Rechtsstreitigkeiten zu behandeln, davon hatten 17 Prozent (über 22000 Streitfälle) mit Gewalt in der Familie zu tun.
Laut Wu stellt Gewalt in Familien für die soziale Stabilität Chinas eine zunehmende Bedrohung dar. Kinder, alte Menschen und ganz besonders Frauen sind die Hauptopfer von Gewalt in Familien.
Wu führte den Anstieg solcher Fälle auf das tief verwurzelte traditionelle Konzept zurück, dass der Mann über die Frau das Sagen hat. Als weitere Gründe führte sie die drastischen Veränderungen in den sozialen Beziehungen, die eine psychische Instabilität der Menschen verursachen, und die Tatsache an, dass unterschiedliche Lebensauffassungen die zwischenmenschlichen Beziehungen gefährden.
Durch die Verbesserung des Rechtswesens, die Intensivierung der Exekutive und die Förderung der Öffentlichkeit im Rechtsbereich wird China über ein Gesetz verfügen, das gegen Gewalt in Familien vorgeht, so Wu.
Der Rechtsweg sei nicht der beste Weg im Umgang mit Gewalt in Familien, da ein Gesetz Gewalt in Familien nicht verhindern könne. Ehebeziehungen und Familienbande verkomplizieren diese Situation sogar noch.
Die Rechtsexpertin schlug vor, dass Nachbarschaften, medizinische Hilfsorganisationen und Arbeitseinheiten intensiv zusammenarbeiten, um die betroffenen Menschen bei ihren Sorgen und bei der Eingliederung in die Gesellschaft zu unterstützen und diesen relevantes Wissen über Psychologie und Recht zu vermitteln.
Weiter erklärte sie, dass auch unterschiedliche Maßnahmen zur Balancehaltung der Mentalität der gesamten Gesellschaft eingesetzt werden müssen.
Das überarbeitete Eherecht des letzten Jahres betont die Wichtigkeit der sozialen Komponente im Kampf gegen Gewalt in Familien. TV-Serien über Gewalt in Familien wurden in vielen Orten in China mehrere Monate lang ausgestrahlt. In der nordwestchinesischen Provinz Shaanxi wurde eine Hotline zur Bekämpfung und zum Umgang mit Gewalt in Familien eingerichtet. In den Provinzen Liaoning, Henan, Hubei und Jiangsu stehen Hilfszentren und Ambulanzen für die Opfer zur Verfügung.
Seit kurzem wurde das Krankenhaus Tieying in Beijing zum ersten Krankenhaus Chinas, in dem Ärzte in den Ambulanzen rechtliche Beratung und Selbstverteidigungstaktiken lehren und zudem psychologische Unterstützung leisten.
Chinesen behandeln Gewalt in Familien traditionell als familieninterne Angelegenheit oder sogar Schande, die nicht nach außen getragen werden sollte. Laut einer von der Frauenhotline Jiangfeng in Beijing durchgeführten Studie lassen sich heutzutage immer mehr weibliche Gewaltopfer von ihren Ehemännern scheiden, fragen ihre Verwandten um Rat und suchen rechtliche Unterstützung.
Laut Wu zeigt diese Entwicklung, dass das Individuum immer mehr ins Zentrum des Interesses der chinesischen Gesellschaft rückt.
(CIIC/7. März 2002)
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