Was werden Sie eigentlich mit 57.000 Euro tun? Für sie bedeutet
diese Summe vielleicht Ihr Jahreseinkommen, für viele Chinesen aber
sind 57.000 Euro, also rund 500,000 Yuan, unglaublich viel Geld!
Damit kann man sich in Beijing eine Apartmentwohnung, in einigen
kleineren Städten sogar schon ein Haus kaufen. Bis Chinesen solch
ein Vermögen zusmmengespart haben, brauchen sie Dutzende von Jahren
oder sogar das ganze Leben. Chang Dunming hatte 500,000 Yuan nach
12 Jahren harter Arbeit zusammen gespart. Danach aber kaufte er
sich nicht etwa eine Wohnung, ein Grundstück oder einen Mercedes,
sondern er gründete ein Museum für traditionelle chinesische
Musikinstrumente: Damit ging für ihn ein Traum in Erfüllung.
Der Marktflecken Xinba in der Stadt Yangzhong der ostchinesischen
Provinz Jiangsu hat eine ganz besondere Attraktion. Dort nämlich
gibt es ein Museum für traditionelle Musikinstrumente der
chinesischen Nationalitäten. Das Museum ist das erste private
Museum dieser Art in China überhaupt. Hier in Xinba ist auch Chang
Dunming geboren und aufgewachsen. Im Alter von 15 Jahren verließ
Chang Dunming seine Heimat, um in Shanghai eine Lehre zu beginnen.
Seither ist sein Schicksal eng mit den traditionellen chinesischen
Musikinstrumenten verbunden.
„In Shanghai hatte ich die Herstellung von traditionellen
chinesischen Musikinstrumenten gelernt. Neben dem Handwerk eines
Instrumentenbauers lernte ich auch die Bambusflöte Xiao und die
Querflöte Dizi zu spielen. Nach meiner Lehre arbeitete ich in der
1. Fabrik für traditionelle Musikinstrumente in Shanghai. Dort war
ich auch mit der Herstellung von anderen Musikinstrumenten wie
Streich- und Zupfinstrumenten beschäftigt. Im Laufe der Jahre habe
ich mich in der Fabrik von einem jungen Lehrling zum Direktor
hochgearbeitet. “
In
der mehr als 30jährigen Tätigkeit hat Chang Dunming eine große
Liebe zu traditionellen chinesischen Musikinstrumenten entwickelt.
Er selbst gilt inzwischen in ganz China als anerkannter Meister
seiner Branche: Mit der bislang größten Flöte der Welt mit einer
Länge von 3,14 m und einem Durchmesser von 4,9 cm steht sein Name
seit 1996 auch im Guinness-Buch der Rekorde. Neben der Herstellung
von Musikinstrumenten widmet sich Chang Dunming auch der Forschung,
der Verbreitung sowie der Entwicklung der traditionellen
chinesischen Musikinstrumente bzw. der Volksmusik. Gerade aus
diesen Gründen hatte er in seiner Amtszeit als Fabrikdirektor das
chinesische Museum der traditionellen Musikinstrumente im
Shanghaier Großen Theater initiiert und gefördert.
1989 war Chang Dunming in Pension gegangen und wieder in seine
Heimat zurückgekehrt. Anstatt jetzt das glückliche Familienleben zu
genießen oder als akzeptabler Berater bei großen Unternehmen ein
kleines Extraeinkommen zu verdienen, begann Chang Dunming mit der
Verwirklichung seines Traums - ein privates Museum für
traditionelle Musikinstrumente der chinesischen Nationalitäten.
Chang Dunming sagt selbst, wie es dazu kam:
O-Ton
„In unserem Land leben 56 Nationalitäten. Deshalb verfügt China
über eine große Schatzkammer traditioneller Musikinstrumente. Mit
den Jahren hat sich das Kulturwesen entwickelt. Die chinesische
Volksmusik hat sich weiter verbreitet und die Bedürfnisse der
Bevölkerung an Kunst sind größer geworden. Heute wollen immer mehr
Leute die Musikinstrumente des Landes kennen lernen, dabei wird
auch eine hohe Qualität der Musikinstrumente gefordert. Vor diesem
Hintergrund ist dieses Privatmuseum, in dem Musikinstrumente der
verschiedensten Nationalitäten durch unsere Bemühungen
zusammengetragen und aufbewahrt werden, von äußerst großer
Bedeutung. “
Anders als beim staatlichen Museum in Shanghai musste beim Bau des
Privatmuseums völlig vom Nullpunkt angefangen werden. Anfangs gab
es eine Unmenge von Problemen. Das erste und wohl dringlichste war
selbstverständlich das Geld. Um genug Geld für das Museum zusammen
zu bekommen, hat Chang Dunming sich auf seinen alten Beruf
besonnen. Er gründete eine kleine Fabrik zur Produktion von
traditionellen chinesischen Musikinstrumenten. Die Aufbauarbeit war
schwer, wie er selbst erzählte:
„Anfangs war ich ganz allein. Dann aber haben mein Sohn und meine
Schwiegertochter ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben, um mir zu
helfen. Es war wie eine Privatwerkstatt. Wir hatten auf das geerbte
Grundstück und meine privaten Anlagen eine Hypothek aufgenommen.
Wir besaßen kein Fabrikgelände und bauten die Instrumente deshalb
anfangs zu Hause, später mieteten wir bäuerliche Wohnungen als
Werkstatt. Nach langjährigen unermüdlichen Bemühnungen und auch
dank der Unterstützung durch die Lokalregierung und die
betreffenden Behörden wuchs die Fabrik auf das fünffache. Nun haben
wir eine über 4000qm große Fabrik. Dort sind heute mehr als 60
Arbeiter beschäftigt, die mehr als 400 Arten traditioneller
chinesischer Musikinstrumenten produzieren können. Unsere Produkte
werden sowohl in China als auch ins Ausland verkauft, wir
exportieren sie in die USA sowie nach Kanada, Singapur, Malaysia
und Japan. In den 14 Jahren seit ihrer Gründung hat sich meine
Fabrik schon in der Branche einen Namen gemacht . “
Nach 12 Jahren harter Arbeit konnte Chang Dunming endlich seinen
Traum verwirklichen: Mit einer Gesamtinvestition von 500,000 Yuan
wurde in seiner Fabrik im Oktober 2001 das erste und bislang
einzige Privatmuseum für traditionelle chinesische Musikinstrumente
eröffnet.
In
den 200qm großen Hallen werden insgesamt mehr als 300 traditionelle
Musikinstrumte von mehr als 30 chinesischen Nationalitäten
ausgestellt. Sie enthalten alle 4 Arten der Musikinstrumente,
nämlich sowohl Zupf-, Streich-, Blas- als auch Schlaginstrumente.
In der Sammlung finden sich auch 10 Arten originaler antiker
Musikinstrumente wie die Bronzeflöte und die Pferdekopfgeige der
mongolischen Nationalität aus der Ming- und Qing-Zeit vor mehr als
600 Jahren. Jedes Stück dieser Sammlung musste unter allerhand
Schwierigkeiten besorgt werden, wie der Sammler selbst
erzählte:
„Um diese Musikinstrumente zusammenzutragen, habe ich Kontakte mit
mehr als 10 Provinzen, regierungsunmittelbaren Städten und
autonomen Gebieten aufgenommen. Da viele antike Musikinstrumente in
Privatbesitz waren, musste man mit jedem Besitzer einzeln
verhandeln. Manchmal taten dies meine Freunde, oft aber musste ich
persönlich erscheinen. Neben Geld braucht man auch noch Geduld,
Aufrichtigkeit und Entschlossenheit. Besonders große Mühe hat die
Sammlung der Musikinstrumente der nationalen Minoritäten gekostet.
“
Ein Teil der Exponate sind Immitationen. Dazu gehören u.a. „Xun“,
ein eierförmiges Blasinstrument aus der Frühlings- und
Herbstperiode, die antike chinesische Zither aus der Zeit der
Streitenden Reiche und die 4-saitige Laute „Pipa“ aus der
Tang-Dynastie. Sie stammen nämlich aus der eigenen Fabrik. Um eine
hohe Qualität zu erreichen, legt Chang Dunming großen Wert auf die
technischen Fertigkeiten seiner Mitarbeiter. Neben regelmäßigen
Vorlesungen und Trainingskursen durch Experten werden auch häufig
Berufswettbewerbe innerhalb der Fabrik veranstaltet. Die Arbeiter
der Fabrik fühlen sich auch der technischen Innovation und
ständigen Verbesserung ihrer Arbeit verpflichtet, so daß die
Qualität der Produkte kontinuierlich gesteigert werden konnte.
Chang Dunming sieht sein Museum vor allem als eine
Präsentationsbühne für die traditionellen chinesischen
Musikinstrumente, die zur Verbreitung der Volkskunst Chinas
beitragen soll. Das Museum hat seit seiner Öffnung bereits Tausende
von Besuchern empfangen. Darunter vor allem die Schüler der Stadt
und ihrer Umgebung, außerdem Kunstschaffende aus allen Teilen des
Landes und nicht zuletzt auch in- und ausländische Touristen. Heute
gehört eine Besichtigung des Museums bereits fest zum touristischen
Programm bei Ausflügen in der Stadt Yangzhong, oder in den
Nachbarstädten Yangzhou und Zhenjiang.
Natürlich begnügt sich Chang Dunming nicht mit seinen bisher
erzielten Erfolgen. Er sieht noch einen weiten Weg vor seinem
Museum und vor seiner Fabrik. Dafür hat er bereits konkrete Pläne,
wie der
Handwerksmeister der Musikinstrumente selbst erzählt:
„Mein Museum befindet sich momentan noch in der Aufbauphase. Wie
ich schon gesagt habe, ist China ein großes Land mit einer
reichhaltigen Schatzkammer mit nationalen Musikinstrumenten.
Deshalb wollen wir den Bestand des Museums erweitern und es
schließlich zu einer erstklassischen Einrichtung ausbauen. So
wollen wir Musikinstrumente weiterer Nationalitäten hinzufügen.
Auch Musikinstrumente, die wir momentan aus finanziellen Gründen
nicht besorgen können, wollen wir später ins Museums aufnehmen.
„
Ein Schwerpunkt der zukünftigen Aufgaben soll nach den Worten von
Chang Dunming die Weiterentwicklung der Fabrik sein. Später sollen
in der Fabrik eine größere Palette an Musikinstrumenten gebaut
werden, und das bei immer besserer Qualität. Auf der Basis
traditioneller Technologien sollen auch neue Musikinstrumente
entwickelt werden. Die Fabrik soll damit später nicht nur ein
Produktionsstandort sein, sondern auch ein Forschungszentrum der
chinesischen nationalen Musikinstrumente, so der erste Gründer
eines privaten Museums für traditionelle Musikinstrumente der
chinesischen Nationalitäten.