Das tibetische Epos "Gesar" wird auch in Deutschland erforscht |
Das längste Epos der Welt, das tibetische Epos "Gesar", gilt als gemeinsames Kulturerbe der Völker aller Welt. Akademiker verschiedener Länder beschäftigen sich mit der Erforschung dieses monumentalen Werks. So widmet sich auch das Asien-Institut der Universität Bonn diesem Thema. Seit zwei Jahrzehnten besteht zwischen China und Deutschland ein enger Kontakt in diesem Bereich. "Selbst an dem Tag, wenn Wildpferde zu verdorrtem Holz und weiße Schafherden zu Steinen werden, wenn Schneeberge verschwinden und Flüsse austrocknen, wenn Sterne am Himmel nicht mehr leuchten und die Sonne ihren Glanz verliert, wird die Geschichte des Königs Gesar weiterleben." So heißt es in einem Sprechgesang über die Geschichte von König Gesar, dem Helden im Herzen der Tibeter. Das Epos "Gesar", das 1000 Jahre lang in den von Tibetern und Mongolen bewohnten Gebieten mündlich überliefert worden ist, gilt als höchste Leistung der volkstümlichen Kunst der tibetischen und mongolischen Nationalitäten. Es bildet zugleich eine Enzyklopädie für die Studien von Kultur, Gesellschaft, Folklore sowie Sitten und Gebräuchen der verschiedenen Nationalitäten in antiker Zeit. Das Epos mit über einer Million Zeilen und mehr als 20 Millionen Schriftzeichen gilt als das längste und umfangreichste Epos der Welt. Es ist sogar länger als die fünf bekanntesten Epen aus Babylon, Griechenland und Indien zusammen. Den Bemühungen von Wissenschaftlern in mehr als einem halben Jahrhundert sind bedeutende Forschungsergebnisse zu diesem Epos zu verdanken. Mit modernen Mitteln wie Audio- und Video-Technik wurde der Gesang von Volkskünstlern akustisch wie auch schriftlich aufgezeichnet. Inzwischen sind in China insgesamt über 140 Gesar-Sänger gefunden worden. Das tibetische Epos wurde nicht nur ins Hochchinesische, sondern auch in mehrere weitere Sprachen übersetzt, darunter English, Japanisch und Französisch. Als gemeinsames Kulturerbe der Menschheit beschäftigt das Gesar-Epos auch im Ausland die Wissenschaftler. Ein Zentrum für die Gesar- Forschung in Deutschland ist z. B. das Asien-Institut der Universität Bonn. Mit diesem und anderen Instituten pflegen chinesische Wissenschaftler einen regen akademischen Austausch, so auch Yang Enhong, Direktorin der Abteilung tibetische Literatur am Institut für die Literatur der Nationalitäten an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Yang Enhong: "In den 80er Jahren kam Professor Klaus Sagaster, Leiter des Instituts der Bonner Universität zu einem Arbeitsbesuch an die Chinesische Akademie der Sozialwissenschaften. Dabei hat er über die Situation der Epen-Studien an seinem Institut informiert." 1989 fand das erste internationale Gesar-Symposium in der südwestchinesischen Stadt Chengdu statt, zu dem Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern eingeladen wurden. Unter den Teilnehmern befanden sich auch Professor Sagaster, Leiter des Instituts Zentralasien an der Bonner Universität, und einige tibetische Wissenschaftler mit deutscher Staatsangehörigkeit. Es war der erste Kontakt chinesischer und ausländischer Akademiker im Bereich Gesar-Forschung nach dem Ende der Kulturrevolution. Die Fachkollegen aus dem Ausland waren begeistert über die Fortschritte, die China innerhalb von kurzer Zeit gemacht hatte. Dazu Yang Enhong: "Einige Wissenschaftler sagten nach dem Symposium beeindruckt, sie seien früher der Ansicht gewesen, dass die Heimat des Gesar-Epos zwar in China liegt, sich das Zentrum der Forschung aber im Ausland befindet. Das Symposium habe diese Meinung gründlich verändert. Das Zentrum der Forschung habe sich nach China verlagert, meinten die ausländischen Fachkollegen." Das internationale Symposium zur Gesar-Forschung findet inzwischen alle drei Jahre statt. An den bislang 5 derartigen Symposien haben immer auch Akademiker aus Deutschland teilgenommen. Auch chinesische Wissenschaftler kamen zu kurzfristigen Arbeitsbesuchen nach Deutschland. Yang Enhong, die zwei Mal in Deutschland war, hält den akademischen Austausch für nützlich und aufschlussreich: "Die Epen-Studien haben in den westlichen Ländern eine lange Tradition. Der Blickwinkel der Westler ist anders als der von uns Chinesen, und nicht zuletzt verfügen die westlichen Länder über eine Menge wertvoller Forschungsmaterialien. Zum Beispiel habe ich in Deutschland die englische Ausgabe des Gesar-Epos aus dem 18. und 19. Jahrhundert gelesen. Im Asien-Institut gibt es auch eine 29-bändige Gesar-Ausgabe aus Bhutan." Yang Enhong hält gegenseitige Forschungsaufenthalte und den Austausch für notwendig. Der akademische Austausch sei nicht nur für chinesische Wissenschaftler von Nutzen, sondern sei ein idealer Weg, Ausländer über den Schutz des Kulturerbes in China zu informieren. Yang Enhong hat während ihres Deutschlandbesuches zwei Vorträge gehalten. Sie berichtete anhand von Zahlen und anderem über Chinas Leistungen beim Denkmalschutz in den Gebieten der nationalen Minderheiten und über das, was sie auf ihrer Reise in Tibet gesehen hatte. Diese Vorträge haben bei den deutschen Fachkollegen ein positives Echo gefunden. (CRI/China.org.cn, 2. August 2004)
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