Am 1. Juni Juni hat am mächtigsten Strom in China, dem Yangtse Fluss, der weltgrößte Drei-Schluchten-Stausee begonnen, Wasser zu speichern. Und am 10. Juni hat der Wasserpegel bereits 135 Meter über dem Meeresspiegel erreicht. Bis vor kurzem noch waren im Stauseegebiet Archäologen und Denkmalschützer 10 Jahre lang eifrig am Werke, um Kulturschätze auszugraben oder zu bergen, die später unweigerlich in den Fluten des Stausees versinken würden.
Im Jahr 2000 entdeckten Archäologen in der Nähe der Kreisstadt Fengjie am Oberlauf des Drei-Schluchten-Stauseegebiets zwei steinerne Zeugnisse der alten Steinzeit vor 150,000 bzw.130,000 Jahren. Dabei handelte es sich den Archäologen zufolge um primitive Blasinstrumente, die die Urmenschen entweder zum eigenen Vergnügen oder zum Abschrecken von wilden Tieren benutzt hatten. Die Funde ließen darauf schließen, dass die Geschichte des menschlichen Kunstschaffens höchstwahrscheinlich um 60,000 Jahre zurückdatiert werden müsste.
Solche epochemachenden Funde sind im Einzugsgebiet des 660 Meter langen Stausees zwischen der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing und der Stadt Yichang in der zentralchinesischen Provinz Hubei keine Seltenheit: Immer wieder hatten Experten und Mitarbeiter aus allen Teilen Chinas seit 1994 im Rahmen eines archäologischen Rettungsprojektes im Stauseegebiet bedeutende kulturelle Zeugnisse der Steinzeit bis hin zu der Qing-Dynastie(1644-1911) zutage gefördert. Der archäologische Wert dieser Funde ist unermesslich, betonte Liu Yuchuan, Museumdirektor der Stadt Chongqing, der sich seit Jahren intensiv mit dem Denkmalschutz im Drei-Schluchten-Stauseegebiet beschäftigt.
„Die Kulturschätze im Einzugsgebiet der Drei- Schluchten sind ein wichtiger Bestandteil der Geschichte der Zivilisation am Yangtse. Dies haben die Erfolge der archäologischen Forschungen in den vergangenen 10 Jahren in diesem Gebiet nochmals bestätigt. Allein im Chongqing-Gebiet wurden mehr als 60 Ruinen menschlicher Behausungen und paläobiologische Fossilien aus der alten Steinzeit entdeckt. Ausgegraben wurden ferner über 80 Überreste von Menschen aus der neuen Steinzeit sowie Stadtruinen und Grabstätten der Urbevölkerung, der Ba-Menschen, die zwischen dem 16. und 3. Jh. vor unserer Zeitrechnung in dieser Region lebten. Diese Funde haben die Erforschung der Kulturgeschichte dieser Region vorangetrieben und Lücken der archäologischen Forschung geschlossen.„
Die drei Großen Schluchten des Jangtse, nämlich die Qutang-, die Wuxia und die Xiling –Schlucht, erstrecken sich in einer Länge von insgesamt 193 km zwischen den Provinzen Sichuan und Hubei. Seit Jahrhunderten haben Dichter und Künstler die einzigartige Landschaft gepriesen, doch nicht nur ihre Schönheit wurde besungen, sondern auch die zahlreichen Kulturstätten, die über Generationen in dem Schluchtengebiet entstanden sind.
Archäologen haben bereits in den 60er Jahren damit begonnen, die Gegend der Drei-Schluchten des Yangtse zu untersuchen, zu erforschen und Ausgrabungen vorzunehmen. Die archäologischen Aktivitäten fanden stets große Beachtung und verliefen mit staatlicher Förderung erfolgreich und reibungslos. Das Projekt zum Bau des Staudamms in den Drei-Schluchten hat die Arbeiten der Archäologen beschleunigt: Schon vor dem Beginn des Staudammprojektes im Jahre 1993 wurden Ermittlungs- und Planungsarbeiten im zu überflutenden Stauseegebiet gestartet. Der Vize-Leiter des Denkmalschutzamtes der Stadt Chongqing , Wang Chuanping, weiß sich noch gut an diese Zeit zu erinnern.
„Zwischen 1992 und 1997 sind umfangreiche Vorbereitungen angelaufen, dabei sollten hauptsächlich vergrabene Kulturschätze gefunden und Pläne zu ihrer Bergung erarbeitet werden. Im Jahre 1997 wurde in der damals neu gegründeten regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing eine nationale Konferenz veranstaltet, auf der ein umfangreiches archäologisches Rettungsprojekt offiziell gestartet wurde. Von 1997 bis heute haben wir uns hauptsächlich auf die archäologischen Arbeiten an Stätten konzentriert, die unterhalb des geplanten Wasserpegels von 135 Metern liegen würden.“
Als Leiter der archäologischen Rettungsarbeiten im Stauseegebiet in der Provinz Sichuan, berichtete Wang Chuanping, dass bis zum Ende des gesamten Staudammprojektes im Jahre 2009 immerhin 506 Kulturstätten in Sichuan vom Stausee überspült werden würden. Dies entspreche mehr als zwei Drittel der gesamten Kulturschätze dieser Art im ganzen Stauseegebiet. Wang Chuanping war ziemlich erleichtert darüber, dass die archäologischen Ausgrabungen an 310 Stätten bereits vor dem 1. Juni, also noch vor dem Beginn der Wasserspeicherung des Stausees des Wasserstandes vollendet worden sei. In diesem Zusammenhang würdigte er die große Unterstützung der Zentralregierung, die mehr als 1 Mrd. Yuan (etwa 102 Mio. Euro) investiert hatten. Ferner dankte er den Experten aus allen Teilen Chinas. Mit ihnen entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit, berichtete Wang Chuanping weiter:
„Wir haben mit den Spitzenexperten aus allen Teilen des Landes unter der Aufsicht des staatlichen Denkmalschutzamtes eine wissenschaftliche und vorsichtig überdachte Planung erarbeitet. Gemäß der Planung waren mehr als 10, 000 Fachleute im Stauseegebiet tätig. Manchmal verteilten sich 70 Arbeitsgruppen auf einmal auf dieser weltweit größten archäologischen Baustelle. Schließlich aber konnten wichtige Forschungserfolge erzielt werden. Die mehr als hunderttausend wertvollen Ausgrabungen werden die archäologischen Forschungen in dieser Region um mindestens 20 Jahre vorantreiben.“
In der Nachbarprovinz Hubei konnten die archäologischen Grabungen an den 118 Stätten unterhalb des geplanten Wasserpegels von 135 Metern bereits im April komplett abgeschlossen werden. Die Sprecherin des Büros für das Drei-Schluchten-Projekt beim provinzialen Denkmalschutzamt, Frau Yu Ping, erzählte, dass die Provinzverwaltung, das staatliche Denkmalschutzamt sowie schließlich der Staatsrat die Arbeiten mit gut bewertet hatten.
Gleichlaufend mit den Entwicklungen im Drei-Schluchten-Projekt kamen auch die archäologischen Felduntersuchungen und Ausgrabungen im zu überflutenden Stauseegebiet schrittweise gut voran. Dazu noch einmal der Denkmalschutzbeamte der regierungsunmittelbaren Stadt Chongqing, Wang Chuanping:
„“Bis zum Ende der 3. Bauphase im Jahre 2006 und zur Fertigstellung im Jahre 2009 sind noch auf einer Fläche von knapp 700,000 qm vergrabene Kunstschätze zu untersuchen. Diese Arbeiten werden noch in diesem Jahr beginnen.“
Ferner betonte Wang Chuanping die Bedeutung der Untersuchungen an den ausgegrabenen Kulturgegenständen sowie der sorgfältigen Aufbewahrung der zahlreichen Schrift- und Bildinformationen. In Chongching wurde deshalb vor 2 Jahren der Bau eines speziellen Museums gestartet. Auf einer Gesamtfläche von 40,000 qm sollen in dem Museum einmal mindestens 300.000 Kulturgegenstände aufbewahrt werden können. Rund 500 Mio. Yuan (umgerechnet 51 Mio. Euro) wird der Museumsbau kosten.
Auch die Sprecherin des Büros für das Drei-Schluchten-Projekt beim provinzialen Denkmalschutzamt, Frau Yu Ping hält eine konsequente Fortsetzung der Forschungen für wichtig:
„ Bis zur 4. Bauphase des Drei-Schluchten-Projektes, in der der Wasserspiegel im Stausee auf 175 erhöht werden soll, müssen in der Provinz Hubei noch mehrere bereits entdeckte Kulturstätten ausgegraben werden. Viel wichtiger aber ist für uns die weitere Erforschung der geretteten Grabungsfunde. Zwar gibt es tatsächlich noch einige Kulturgegenstände, die archäologisch weniger wert sind und deshalb nicht ausgegraben werden. Doch haben wir diese durch Schrift- und Bildinformationen hinreichend dokumentiert und in Computerdatenbanken abgespeichert. Sie werden uns ewig zur Verfügung stehen.“
Frau Yu Ping zeigte sich ferner sehr erfreut, daß in ihrer Provinz ein spezielles Denkmalschutzzentrum für die Ausgrabungen im Gebiet des Drei-Schluchten-Dammes gebaut wird. Das Zentrum wird in sichtbarer Nähe zum Staudamm angesiedelt sein.