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21. 04. 2009 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Nach zehn Jahren vielfältiger Erfahrungen in China: Was hat sich aus deiner Sicht im Reich der Mitte am meisten verändert?
Alle reden immer von den wirtschaftlichen Veränderungen. Was mich sehr beeindruckt hat, war die veränderte Lebensweisen der Leute. Früher waren alle sehr schüchtern, Chinesen gegenüber Ausländern, Männer und Frauen untereinander, soweit ich das beurteilen kann. Heute ist das völlig anders. Kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West bestehen noch, aber eher im zwischen dem, was man offiziell sagt und dem, was man im Privatleben tut. In ihrer Lebensart sind viele junge Chinesen heute genauso offen und experimentierfreudig wie in anderen Ländern. Das hat natürlich viel mit dem internationalen Einfluss zu tun. In manchen Dingen ist man in China nun freier.
Zum Beispiel?
Im Westen beklagen sich viele über Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen, aber ich finde zum Beispiel gut, dass in China jeder jeden Film der Erde kaufen kann, und das sehr günstig. Das trägt auch zum Verständnis ausländischer Kulturen bei. Es ist aber auch der Einfluss aus China selbst, der in der wirtschaftlichen Entwicklung begründet liegt. Man hat mehr Auswahl beim persönlichen Lebensstil, kann sich etwa durch die ungeheure Auswahl an unterschiedlicher Kleidung viel freier ausdrücken als früher, um nur einen Aspekt zu nennen.
Ist dieser Ausdruck von Freiheit, der sich zunächst auf das Konsumverhalten beschränkt, etwas typisch Chinesisches?
In meinem zuvor genannten Buch, das gerade auch auf Chinesisch unter dem Namen "Wo de fenqing suiyue" erschienen ist, nenne ich ein Kapitel "Kleinbürger chinesischer Prägung", auf Chinesisch "Xiaozi". War "Kleinbürger" in meiner Generation in Deutschland geradezu ein Schimpfwort, so sind die Kleinbürger im China von Heute etwas anderes. Etwa die studierten Büroangestellten, die in schicke Restaurant gehen, sich die neuesten Piraten-DVDs ebenso wie chinesische Seifenopern anschauen und exotischen Hobbys nachgehen. Man mag einwenden, das sei etwas banal, sich nur mit seinem persönlichen Glück und Konsum zu beschäftigen – ich finde das ingesamt aber eine positive Veränderung. Ich habe mich im Laufe der Zeit ja auch verändert.
Spricht da der geläuterte Revolutionär?
Naja, in meiner Erfahrung fügen die Leute, die zu extrem "das Positive" wollen, anderen oft mehr Schaden zu, als Leute, die einfach, etwas egoistisch zwar, für sich selbst ein besseres Leben wollen. Die machen zum Beispiel Business, wovon dann wieder andere profitieren können. Etwa Sachen produzieren, die andere kaufen können.
Die chinesische Marktwirtschaft von heute war ja ein besonderes Experiment, die Ideologie des Kommunismus mit der des Kapitalismus zu verbinden. Man hat sich mit der Entwicklung viel Zeit gelassen. Meinst du, das war eine kluge Entscheidung?
Unbedingt. Mann schaue sich nur die Sowjetunion an, wo das ja ganz anders abgelaufen ist. Da hat man erst die politischen Reformen gemacht, und dann die wirtschaftlichen, und letztere auch nicht wirklich konsequent. Das hat die Lage für viele Russen noch viel schlimmer gemacht. Als ich 1990 nach Russland kam, war ja alles kaputt. Der chinesische Weg, den Wandel langsam und behutsam zu vollziehen, ist da viel klüger. Die Chinesen haben vielleicht auch eher einen Sinn fürs Nützliche und sind in der praktischen Umsetzung von Reformen flexibler.
Können Europäer davon etwas lernen?
Sicher. Wir Deutsche sind ja eher etwas stur, wenn die Dinge nicht so funktionieren wie wir es gewohnt sind. Aber auch wenn manche Dinge uns am Anfang hier etwas chaotisch erscheinen – am Ende findet man in China immer irgendwie eine Lösung.
Quelle: german.china.org.cn
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