Angesichts des Herannahens des neuen Millenniums trafen sich mehr
als 160 Staatsoberhäupter vom 6.-8. September im Hauptquartier der
Vereinten Nationen in New York, um Angelegenheiten des Friedens und
der Entwicklung in der Welt zu diskutieren. Eines der wichtigen
Themen, die auf dem Millenniumgipfel diskutiert wurden, war, wie
eine neue internationale Wirtschaftsordnung etabliert werden solle,
so daß die Nord-Süd-Kluft verkleinert werde und alle Länder von der
Entwicklung der Weltwirtschaft profitieren könnten.
Schauen wir zurück ins 20. Jahrhundert, so ist die Geschichte in
den Erinnerungen vieler noch sehr lebendig. In der Mitte des 20.
Jahrhunderts fegte die Anti-Imperialismus- und
Anti-Kolonialismus-Revolution über die Welt, wobei eine große
Anzahl von neuen Ländern auftauchte. Gebunden an die alte
internationale Wirtschaftsordnung, waren viele von ihnen jedoch in
großem Ausmaß auf die Industrieländer angewiesen, was die
Entwicklung ihrer Volkswirtschaften behinderte. Obwohl der Kampf
für eine gerechte und rationale internationale Wirtschaftsordnung
sich weltweit verbreitet hat, hat sich die internationale Ordnung,
die immer noch den Anstrich des Kolonialismus hat, bisher immer
noch nicht grundlegend geändert.
Mit der sich weitenden Kluft zwischen Arm und Reich haben sich die
Nord-Süd-Widersprüche ebenfalls verstärkt. Armut hat in einigen
Gebieten zu sozialen Unruhen und Konflikten geführt und könnte die
Ordnung der ganzen Welt in Zukunft unterminieren. Es gibt zunehmend
lautere Stimmen von den rückständigsten Ländern, den
Entwicklungsländern und sogar von einigen Industrieländern, die
nach einer Veränderung der ungerechten internationalen
Wirtschaftsordnung rufen.
Momentan ist die Kluft zwischen Arm und Reich schockierend groß.
Statistiken zufolge nehmen die entwickelten Länder, deren
Bevölkerung 20% der Weltbevölkerung ausmacht, 86% des
Gesamtoutputsbetrages und 82% des globalen Exportvolumens ein,
während die breite Masse der Entwicklungsländer sich den Rest
teilt.
Inmitten der globalen wirtschaftlichen Entwicklung ist die Anzahl
der rückständigsten Länder jedoch auf heute 48 gestiegen,
verglichen zu 36 vor 10 Jahren.
Die Geschichte zeigt, daß zusätzlich zu den inneren Problemen in
einigen Entwicklungsländern der wichtigste Grund für die stets
wachsende Kluft im Scheitern der Etablierung einer gerechten und
rationalen internationalen Wirtschaftsordnung, die der gemeinsamen
Entwicklung aller Länder dienen sollte, liegt.
Die gegenwärtige internationale Wirtschaftsordnung wurde nach dem
2.Weltkrieg von einigen wenigen entwickelten Ländern geschaffen und
festgelegt; daher spiegelt sie hauptsächlich deren Interessen
wider. Sie verkörperte nicht die legitimen Interessen und
vernünftigen Forderungen der Enwicklungsländer, von denen die
meisten damals noch unter kolonialer bzw. halbkolonialer Herrschaft
standen. Vorteile aus einer derartigen Wirtschaftsordnung ziehend,
bauten die Industrieländer ihre wirtschaftliche Überlegenheit auf,
indem sie sich auf der ganzen Welt ausbreiteten und mehr Ressourcen
und Märkte suchten.
Was das westliche Kapital anbelangt, so waren Lateinamerika und
Afrika die wichtigsten Quellen des Profits. Die jährliche
Rückgewinnungsrate der Investitionen der USA in der
lateinamerikanischen und der karibischen Region wird auf 22-34%
geschätzt. Die tatsächlichen Einnahmeverhältnisse und
Rückgewinnungsraten sind sogar noch höher. Selbst einem offizielen
Bericht der USA zufolge ist der Profit von amerikanischen Firmen
aufschreckend: er beträgt bis zu 50 Mrd. US$ pro Jahr. Die
Industrieländer haben von den armen Ländern in großem Ausmaß
profitiert, sind jedoch zu geizig, die schwere Schuldenlast der
letzteren zu erleichtern.
Beginnend in den 70er Jahren, unter dem Druck vieler
Entwicklunsländer, legten die Vereinten Nationen fest, daß die
reichen Staaten den armen Staaten Entwicklungshilfe liefern müssen,
insbesondere den rückständigsten Ländern. Als Antwort versprachen
die Industrieländer, daß jedes von ihnen 0,7% ihres
Bruttoinlandproduktes als offizielle Entwicklungshilfe zur Seite
legen würde.
Bedauerlicherweise zeigen die Statistiken, daß die meisten der
Industrieländer versagt haben, sich an ihre Verpflichtungen zu
halten, da ihre Hilfsfonds niemals den versprochenen Betrag
erreicht haben, sondern jedes Jahr abgenommen haben.
Die Stagnation des „Schuldenreduzierung“-Plans spiegelt die
Tatsache wider, daß in den Nord-Süd-Wirtschaftsbeziehungen tiefe
Widersprüche zwischen den beiden Seiten existieren. Unter
kapitalistischen Bedingungen lieferte der Süden zwei wesentliche
Produktionsfaktoren: günstige Arbeitskräfte und Rohstoffe. Der
Ansicht der Industrieländer in einem früheren Stadium zufolge lag
hier die wirtschaftliche Bedeutung der „Süd“-Länder. Dieser Zustand
führte zu dem Sklavenhandel, der Kolonialisierung und dem Kampf um
Einflußsphäre. Während des Kalten Krieges waren die Widersprüche
zwischen dem Norden und dem Süden bis zu einem gewissen Grad
überdeckt. Nach dem Kalten Krieg verschwand der ideologische Wert
des Südens fast völlig, während sein wirtschaftlicher Wert wieder
in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrte. Die stürmische
technologische Revolution der Gegenwart tendiert dahin, den
arbeitsintensiven Produktionsprozeß aufzuheben und neues
Ersatzmaterial zu produzieren, was zweifelsohne die Wichtigkeit von
Arbeitskräften und Rohstoffen, was die meisten „Süd“-Länder
besitzen, schwächen wird. Folglich wird die Nord-Süd-Kluft in
Zukunft möglicherweise weiter vergrößert.
Es
ist eine mühsame Aufgabe, die Kluft zwischen dem Norden und dem
Süden zu verkleinern, sie erfordert eine umfassende und tiefgehende
Veränderung der gegenwärtigen internationalen
Wirtschaftsordnung.