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Herausforderungen für die traditionellen Massenmedien

Eine stetige Abwanderung der Intelligenz ist in fast allen traditionellen Massenmedien Chinas zu beobachten. Diejenigen, die sie verlassen, haben sich meistens Internet-Startups angeschlossen. Dieses Phänomen ist auch in anderen Weltteilen zu beobachten. In den USA, in denen die Internet-Wirtschaft sehr entwickelt ist, sind viele hervorragende Journalisten zu Dotcoms übergewechselt. „Sie können dort Aktienoptionen haben, was in einer traditionellen Medienorganisation unvorstellbar ist“, sagte ein amerikanischer Professor für Journalistik.

Diejenigen, die zu Dotcoms übergewechselt sind, haben andere Argumente. „Ich habe mich einer Internet-Gesellschaft angeschlossen, weil ich nicht hinter diesem Trend zurückbleiben will. Es ist schrecklich, wenn man nicht mit der Zeit Schritt halten kann. Das gilt besonders für Journalisten“, sagte eine ehemalige stellvertretende Chefredakteurin einer Tianjiner Zeitung. Sie ist jetzt leitende Redakteurin der neulich gegründeten FM 365 Dotcom-Firma.

Wie dem auch sei, die Abwanderung der Intelligenz zeigt, daß die neuen Medien des Internets eine Herausforderung für die traditionellen Massenmedien wie Fernsehen, Zeitung und Radio sind. Sie sind noch aggressiver als das Fernsehen, das vor mehr als 40 Jahren auf die Bildfläche trat.

Die Anziehungskraft

des Internets

Am 17. Januar 1998 sandte ein Amerikaner 50 000 Kopien des folgenden E-Mails in alle Welt: Monica Lewinsky, eine Praktikantin des Weißen Hauses hatte eine Affäre mit US-Präsident Bill Clinton. Diese Nachricht wurde auch in seiner persönlichen Homepage veröffentlicht. Noch erstaunlicher als die Nachricht selbst war, daß sie nicht durch traditionelle Massenmedien wie CNN, The Washington Post oder The New York Times, sondern durch das Internet bekanntgegeben wurde.

O.g. Amerikaner, der seit 1995 Nachrichten online veröffentlicht, hat sich in der Geschichte der Journalistik einen Namen gemacht. Er ist zu einem Phänomen geworden, über das Professoren in Seminaren über die Herausforderung des Internets für traditionelle Medien oft mit Studenten diskutieren.

Ein weiteres Ereignis, das am 18. Oktober 1999 geschah, zeugt von der Kraft des Internets. An jenem Tag wurde eine Online-Rettungsaktion, vielleicht die erste in der Geschichte, nach einem starken Erdbeben, das sich im Süden von Kalifornien ereignete, durchgeführt. Viele Experten, Mitglieder des Rettungstrupps und einfache Bürger gingen ins Netz, um Informationen über die Auswirkungen des Erdbebens und andere diesbezügliche Nachrichten auszutauschen. Hunderte Bilder und Berichte gelangten übers Internet zu den Experten und halfen ihnen, Entscheidungen über die Rettungsarbeit zu treffen und menschliche und finanzielle Verluste aufs Minimum zu reduzieren.

Es gibt noch viele andere Beispiele, die zeigen, wie effizient und effektiv das Internet für Informationsaustausch sein kann. Das Internet kann Bilder, Stimmen und Texte, also alles, was traditionelle Medien anbieten können, übertragen. Kein Wunder, daß manche Leute behaupten, daß das Internet in den kommenden 10 bis 20 Jahren das wichtigste Massenmedium sein werde.

Online-Journalismus

Das Internet hat die Arbeitsweise der Journalisten verändert. Einige Journalisten bleiben den ganzen Tag im Büro, um aus dem Internet Nachrichten herunterzuladen und sie in ihren Zeitungen zu veröffentlichen. Viele andere benutzen das Internet als ein Forum, um neue Ideen zu bekommen, oder als ein Medium, durch das sie Interviews führen.

Li Xiguang, Professor für internationale Kommunikation der Tsinghua-Universität, erzählte eine Anekdote, um die Veränderungen, die das Internet den traditionellen Massenmedien bringt, zu veranschaulichen: Reporter A wurde in Beijing beauftragt, einen Fossilexperten in Guiyang, das 1800 km von Beijing entfernt liegt, zu interviewen. Er kaufte hastig ein Flugticket, packte seine Sachen und eilte zum Flughafen. Inzwischen wurde Reporter B, der für eine andere Zeitung arbeitete, mit derselben Aufgabe betraut. Anstatt nach Guiyang zu fliegen, ging er in seinem Büro ins Netz und lud aus dem Internet Dutzende Berichte und Bilder über Fossilien herunter. Dann interviewte er per Telefon und E-Mail den Foss-ilexperten und online fünf andere internationale Experten, die auf diesem Gebiet bekannt sind. Als der erschöpfte Reporter A mit dem Flugzeug nach Beijing zurückflog, las er in einer Zeitung den Artikel von Reporter B über dasselbe Thema, über das er zu schreiben gedachte.

„Das ist die Arbeitsweise von Journalisten in der Internet-Ära“, sagte Li.

Überlauf von Journalisten

zu Dotcoms

Als sich die traditionellen Medien endlich Gedanken über die eventuellen Bedrohungen, die ihnen das Internet bringen könnte, machten, waren sie bereits dem Stoß der Internet-Woge ausgesetzt. Im März dieses Jahres gab das Qianlong (Tausend Drachen)-Nachrichtennetzwerk, eine von neun Medienorganisationen und drei Internet-Gesellschaften Beijings gegründete Dotcom-Firma, eine Anzeige über die Anstellung von zwei Chefredakteuren, fünf leitenden Redakteuren, zehn Redakteuren und Journalisten auf. All diese Posten erforderten Arbeitserfahrungen in bekannten traditionellen Medienorganisationen. In knapp zwei Wochen empfing die Gesellschaft nahezu 3000 Bewerber. Einige Leiter der traditionellen Medienorganisationen waren so schockiert, daß sie sich lautstark beschwerten: „Sie haben uns unverfroren Leute abgeworben!“

Auch die traditionellen Medi-enorganisationen versuchen, ins Internet zu gehen. Viele von ihnen arbeiten zusammen, um Online-Nachrichtennetzwerke zu bilden, wie z. B. das Orientalische Netz, gegründet von Presseorganen Shanghais, Zhejiang-Online, gegründet von Presseorganen der Provinz Zhejiang, und das Shun-Netz, gegründet von Presseorganen der Provinz Shandong. Einige wichtige Presseagenturen wie die „Renmin Ribao“ (Volkszeitung), die Xinhua-Nachrichtenagentur, die „Jingji Ribao“ (Tageszeitung über Wirtschaft), CCTV, die Chinesische Nachrichtenagentur und die Chinesische Jugendzeitung haben ihre eigene Website eingerichtet. Diese Websites und die anderen unabhängigen Dotcoms wie Sina, Sohu und Netease haben viele Talente aus traditionellen Presseorganen abgeworben.

Bei der Analyse der Gründe, warum so viele Journalisten zu Dotcoms überlaufen, erklärten Experten, erstens sei der Lohn in den Dotcoms hoch. Im Durchschnitt betrage der Monatslohn für einen Redakteur etwa 5000 Yuan und für einen leitenden Redakteur rund 10 000 Yuan. Hinzu kämen Aktienoptionen. Das mache die Dotcoms so attraktiv. Zweitens seien die Überläufer zuversichtlich, was die Zukunft der Internet-Wirtschaft betreffe. Sie gingen davon aus, daß das Internet bald die Hauptströmung der Medien repräsentieren werde. Drittens hegten die jungen Leute, die die traditionellen Medienorganisationen verlassen, den Wunsch, Pionierarbeit zu leisten und Erfolge zu erzielen.

Das vierte Medium

Nach der Definition von „Massenkommunikationsmedium“ kann ein Medium erst dann als ein Massenkommunikationsmedium bezeichnet werden, wenn die Zahl seiner Leser, Zuhörer oder Zuschauer 50 Mio. erreicht. Dazu hat das Radio 38 Jahre, das Fernsehen 13 Jahre und das Internet nur fünf Jahre in Anspruch genommen. Nach einer Untersuchung, die im letzten Juni durchgeführt wurde, beläuft sich die Zahl der chinesischen Internet-Benutzer auf 10 Mio., vor zwei Jahren waren es nur 3-4 Mio. Die Untersuchung zeigte auch, daß die meisten Internet-Benutzer unter 35 Jahre alt sind. Das bedeutet, daß das Internet einen großen Einfluß auf die junge Generation hat.

In den Hochschulen in Beijing und anderen Großstädten benutzen fast alle Studenten das Internet, um sich über die neusten Nachrichten zu informieren, E-Mail zu senden und zu empfangen oder Computerspiele zu spielen. Einige Studenten haben sogar ihre eigenen Homepages eingerichtet. Zeitungen und das Fernsehen werden nicht mehr als notwendige Kanäle für den Empfang von Informationen betrachtet.

International gesehen, sind die meisten der 300 Mio. Internet-Benutzer junge Leute, die immer größeres Interesse für das Internet zeigen. Nach einer Untersuchung, die in den USA durchgeführt worden sind, lesen die meisten Jugendlichen keine Zeitung, 25 Prozent von ihnen lesen Online-Zeitungen, und nur 19 Prozent lesen gedruckte Zeitungen.

Ein Medium ohne Autorität

Wenn Ihnen ein Freund eine Sensationsnachricht erzählt, die er aus dem Internet erfahren hat, würden Sie vielleicht an der Glaubwürdigkeit der Nachricht zweifeln. Dies offenbart ein ernstes Problem des „vierten Mediums“ — der Mangel an Autorität und Glaubwürdigkeit.

Hinsichtlich des freien Flusses von Informationen ist das Internet den anderen Medien überlegen. Aber jeder kann ohne Zensur online Nachrichten veröffentlichen. Deshalb zweifeln viele an der Glaubwürdigkeit des Internets.

Nach vielen Jahren der Entwicklung erfreuen sich die traditionellen Medien beträchtlicher Autorität und Glaubwürdigkeit, die ihre Stärken und ihr wichtigstes „Kapital“ sind. Aus diesem Grund sind einige Leute davon überzeugt, daß, wie das Radio und die Zeitungen nach dem Auftauchen des Fernsehens weiter existiert haben, die traditionellen Medien nicht durch das Internet ersetzt werden würden. Sie sagten, selbst wenn es leicht sei, via Mobiltelefon Zugang zum Internet zu erhalten, sei Radiohören immer noch viel bequemer für die meisten Leute. Selbst wenn man im Büro oder zu Hause einen Computer habe, finde man es immer noch angenehmer, im Fernsehen Nachrichten und Filme zu sehen. Was die Zeitungen und Zeitschriften betreffe, könnten sie dank ihrer tiefschürfenden Berichterstattung und ihrer speziellen Ausdrucksweise nicht durch das Internet und andere Medien ersetzt werden.

Um ihre Glaubwürdigkeit zu etablieren, bemühen sich viele Internet-Content-Provider darum, eine Allianz mit bekannten traditionellen Medienorganisationen zu bilden. Microsoft z. B. investierte 200 Mio. US$, um in Zusammenarbeit mit NBC die MSNBC-Website zu gründen, die rund um die Uhr Nachrichten von NBC anbietet. Ihre Website ist eine der bekanntesten Nachrichten-Websites in den USA geworden. Ein anderes Beispiel ist die Fusion von AOL mit Time Warner, die 120 Mrd. US$ in Anspruch nahm. Solche Kooperationen zwischen der neuen Wirtschaft und den traditionellen Medien repräsentierten eine Win-Win-Strategie und sind bereits ein Trend geworden.

Glaubwürdigkeit ist das Lebensmark der Medien. Darum machen sich manche Leute Sorgen um die Zukunft einiger Websites in China. Sie sind gespannt darauf, ob Sina, eines der bekanntesten Portals und einer der besten Nachrichten-Content-Provider des Landes, eine Kooperation mit einer traditionellen Medienorganisation anstreben wird und ob FM 365 durch die erfolgreiche Rekrutierung vieler Journalisten und Redakteure aus traditionellen Medien an Glaubwürdigkeit gewinnen kann.

Die Probe des Überlebens

Vor 40 Jahren gerieten Zeitungen und Rundfunkstationen wegen des Auftauchens des Fernsehens in Panik. Aufgrund seines großen Marktanteils erregte das visuelle Medium die Aufmerksamkeit der Werbeagenturen und zog viele Talente von Zeitungen und Rundfunkstationen an. Die Zeitungen und Rundfunkstationen hatten damals oft die Frage diskutiert, wie lange sie noch überleben könnten. Die Tatsachen haben aber bewiesen, daß sie trotz neuer Technologien überleben und sich weiter entwickeln konnten, solange sie sich auf eine positive Weise den Veränderungen anpaßten.

In der Internet-Ära sind das Fernsehen und die anderen traditionellen Medien mit noch größeren Herausforderungen konfrontiert. Die diesmalige Medienrevolution ist noch größer und umfassender als die vorherigen Medienentwicklungen. Das Internet kann sein, was es will: Zeitungen, Verlage, Rundfunk- und Fernsehstationen, Kinos oder sogar Post- und Telefonämter.

Bei der Diskussion über die Zukunft der Medien wiesen viele darauf hin, daß das Überleben der Medien, ob alt oder neu, von der Attraktivität ihres Inhalts abhänge. Auch die Dotcoms werden die Probe des Überlebens zu bestehen haben. Liu Chuanzhi, der Chef von Legend, sagte, nur diejenigen, die über ein großes Kapital verfügten, hätten die besten Chancen, zu überleben. Das treffe sowohl für die neuen als auch für die traditionellen Medien zu.

In der Serie

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