Lin Zhen (Journalist): In einem Krankenhaus gab es einst einen
Patienten, der sich sechs Monate im vegetativen Zustand befand.
Durch die sorgfältige Behandlung des Krankenhauspersonals und die
gute Pflege seiner Familienmitglieder kam er jedoch wieder zu
Bewußtsein und sprach. Während dieser äußerst schwierigen Zeit
gaben die Ärzte und Familienmitglieder niemals ihre Anstrengungen
auf. Dies hat mich sehr bewegt.
Falls die Kriterien des Hirntodes bereits gegolten hätten, hätte
dieser Mensch die Chance zu sprechen verloren, und auch sein Recht
auf Leben. Ungeachtet dessen, daß er medizinische Ressourcen
verbraucht oder seine Krankheit anderen viel Kummer verursacht hat,
ist das Leben ein primäres Recht eines jeden Menschen.
Ye
Lin (Professor des Instituts für Rechtswissenschaft der
Volksuniversität Chinas): Die Angelegenheit des Todes steht mit der
altehrwürdigen Kultur eines Landes in engem Zusammenhang. Eines
Tages mag die Wissenschaft zwar derartiges Niveau erreichen, daß
das Konzept „Hirntod bedeutet den Tod eines Menschen“ allgemein
anerkannt ist, die Gesetzgebung muß jedoch auch gewöhnliche
Menschen und ihre Akzeptierung in Erwägung ziehen. Wissenschaft hat
sich stets durch den Kampf gegen die Traditionen entwickelt, aber
sie hat nicht immer in allen Aspekten die Oberhand gewonnen. Der
Hirntod ist nicht nur ein rein wissenschaftliches Konzept, sondern
auch ein soziales Problem. Es ist fraglich, ob das Konzept in der
chinesischen Gesellschaft akzeptiert werden kann, denn ein
traditionelles Kriterium für die Todesbestimmung lautet: Der Körper
muß kalt sein.
Der Herztod sollte durch den klinischen Tod ersetzt werden, der
meiner Meinung nach im Krankenhaus unter Überwachung von Ärzten
bestätigt werden sollte. Allerdings muß dabei gewährleistet werden,
daß der Sterbende bzw. Verstorbene einer weiteren 24 Stunden langen
Beobachtung unterzogen wird. Die Definition der drei Todesstufen
ist meiner Ansicht nach nicht nur rein wissenschaftlich zu
verstehen, sie enthält auch starke soziale Elemente.
Unter gewissen zeitlichen und umgebungsbedingten Umständen könnte
der Hirntod ein allgemein anerkanntes Kriterium werden.
Zhong Yuqing (Anwalt der Beijinger Puhua-Kanzlei): Hier muß
besonders umsichtig vorgegangen werden, weil es sich um die
Gesetzgebung betreffs des Todes handelt. Ein neues Gesetz sollte
nur geschaffen werden, wenn die Kriterien für die Todesbetimmung
damit noch wissenschaftlicher werden. Wenn man nur um bessere
Organe für die Transplantation zu bekommen, die Rettung eines
Patienten aufgeben würde, würde dies der traditionellen Ethik
widersprechen.
Ich bin entschieden gegen eine Gesetzgebung, die lediglich von
einem wirtschaftlichen Standpunkt ausgeht.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es noch schwierig, den
Hirntod genau zu bestimmen, und selbst ein qualifizierter Arzt
könnte Fehler begehen. Nehmen wir an, mehrere Ärzte
diagnostizierten den Tod eines Patienten. Wenn auch den
medizinischen Instrumenten zufolge diese Person gestorben wäre,
könnten ihre Organe entfernt werden. Ihre Familienmitglieder hätten
sich auch damit einverstanden erklärt. Angenommen während der
Organentfernung zeige der „Tote“ plötzlich gewisse Reaktionen,
welche nach allgemeinen Kenntnissen die Reaktionen einer lebenden
Person sind. Was sollten die Ärzte dann machen?
Die Problematik dieser ganzen Angelegenheit hat noch weitaus mehr
Aspekte. Die Familienmitglieder könnten z. B. den Ärzten die
Akzeptierung der Todesdiagnose verweigern und vor Gericht gehen.
Ich schlage vor, daß vor allem ein Verfahrensrecht formuliert
werden muß, durch das der Hirntod bestimmt wird.
Ich kann keine Gesetzgebung akzeptieren, die lediglich darauf
abzielt, eine Haftungsbefreiung bei Hirntoddiagnose zu
gewährleisten. Eine derartige Gesetzgebung wird mit unserer Ethik
im Widerspruch stehen.