"Unanständige" Werbung in der Diskussion 2
Fast jede kommerzielle Reklame übermittelt bestimmte ideologische
und kulturelle Informationen einschließlich von Wertvorstellungen,
moralischen Ansichten oder Lebensanschauungen. Dem Werbegesetz, der
gesetzlichen Grundlage für die Überprüfung von Reklame, fehlt
allerdings gerade eine Klausel über ideologische Zensur. Daher ist
es kein Wunder, daß es eine große Menge von Reklamen gibt, die
übermäßig die Jagd nach Geld und Vergnügen propagieren oder Frauen
herabwürdigen. Sie üben einen negativen Einfluß auf unsere
Gesellschaft aus.
Es
ist wahrhaftig nicht leicht, den ideologischen Inhalt von Werbung
zu zensieren, weil es sehr schwierig ist, eine klare Grenze zu
ziehen. Das Werbegesetz legt fest, daß es in den Reklamen keine
offensichtlichen Worte, die sich auf pornographische oder ungesunde
Taten oder Gedanken beziehen, und keinen Inhalt, der das Produkt
unverhältmäßig hochjubelt oder andere Menschen bzw. Objekte
herabwürdigt, geben darf. Das reicht jedoch bei weitem nicht aus,
um die vorliegenden Probleme zu lösen.
In
einer Gesellschaft mit einem vollständigen und gesunden
Operationsmechanismus sollte es eine Abteilung geben, die dort, wo
sich bestimmter ideologischer Inhalt verbreitet, der einen
negativen Einfluß auf die Gesellschaft ausübt, interveniert. Die
Verwaltungsbehörde für Industrie und Handel, die für die
Werbe-Zensur zuständig ist, sollte solch eine gesellschaftliche
Verantwortung tragen.
Eigentlich sollte die Verwaltungsbehörde für Industrie und Handel
auch Soziologen, Linguisten, Psychologen und andere Sachverständige
anstellen. Außerdem sollte die Regierung die Verwaltungsbehörde für
Industrie und Handel bevollmächtigen, ein Expertenkomitee zu
bilden, das dafür verantwortlich sein sollte, den ideologischen
Inhalt von Werbung zu zensieren.
Es
soll keine Zensur des ideologischen Inhalts von Werbung geben
Han Che (stellvertretender Chefredakteur des Shandonger
Handelsblatts): Wie wir wissen, obliegt der Verwaltungsbehörde für
Industrie und Handel die Verwaltung des Marktes. Es gibt jedoch
Stimmen, die behaupten, daß die Verwaltungsbehörde auch dafür
verantwortlich sei, das Denken der Leute zu zensieren.
Diejenigen, die an den konventionellen Prinzipien der Moral
festhalten, sind wahrscheinlich der Meinung, daß die Reklame in
Nanjing ideologisch fragwürdig ist, weil sie mit der alten
Redensart, die besagt, daß man, wenn man satt und warm gekleidet
ist, an sexuelle Freuden denkt, spielt und auf einer großen
öffentlichen Werbefläche zu finden ist. Einige Nanjinger äußerten
die Meinung, daß die Reklame der Stadt Schande bringe; einige
Linguisten sagten, daß sie mittels Konnotationen die Leute in die
Irre führe, und einige Kritiker machten ihre Entrüstung
deutlich.
Denken wir wirklch nur an sexuelle Freuden, wenn wir satt und warm
gekleidet sind? Meiner Meinung nach gibt es viele Optionen, die
selbstverständlich auch die Innendekoration der Wohnung
einschließen. Diese Reklame fordert unsere traditionelle Denkweise
heraus und stellt mit einer unerwarteten Antwort denjenigen, die
stets linear denken, eine kleine Falle. Ich finde das sehr kreativ.
Sprachlich gibt es kein einziges Wort, das ungesund oder unangenehm
ist. Wie kann man sagen, daß solch eine Reklame der Stadt Schande
bringt oder mittels Konnotationen die Leute in die Irre führt?
Einige Leute äußerten, daß hinter der harmlosen Fassade dieser
Reklame eine schlechte Ideologie stecke. In seinem Artikel, der in
der Chinesischen Jugendzeitung erschien, argumentierte Liu Yibin,
daß die Tatsache, daß die Verwaltungsbehörde für Industrie und
Handel zulasse, daß solch eine Reklame veröffentlicht werden könne,
"offensichtlich Probleme mit der Verwaltung der Werbung" in China
zeige. Er ging davon aus, daß die Ursache darin liege, daß dem
Werbegesetz, der gesetzlichen Grundlage für die Überprüfung von
Werbung, eine Klausel über ideologische Zensur fehle. Deshalb
schlug er vor, daß die Regierung die Verwaltungsbehörde für
Industrie und Handel autorisieren solle, den ideologischen Inhalt
von Werbung zu zensieren.
Ich glaube, daß diese Deduktion problematisch ist. Es ist sicher
nötig, den ideologischen Inhalt von Werbung einer gewissen Zensur
zu unterziehen. Zum Beispiel sollte es nicht erlaubt sein, vulgäre,
beleidigende und diskriminierende Worte und Bilder zu verbreiten.
Das muß auf jeden Fall im Werbegesetz festgelegt sein. Falls die
Verwaltungsbehörde für Industrie und Handel jedoch autorisiert
wird, die ideologische Färbung hinter den Worten jeder Reklame zu
erforschen, wer kann dann noch garantieren, daß die betreffenden
Beamten ihre Macht nicht mißbrauchen werden? Wer kann garantieren,
daß solche Macht nicht zu noch mehr Korruption führen wird? Und wer
weiß, ob es dann nicht in der Werbebranche zu einer Verfolgung von
Autoren kommen wird?
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