Seit dem 1. Oktober 1999 gibt es in China zum Nationalfeiertag am
1. Oktober, zum Internationalen Tag der Arbeit am 1. Mai und zum
chinesischen Frühlingsfest nach dem traditionellen Mondkalender
offiziell jeweils drei arbeitsfreie Tage. Hinzu kommen dann noch
die vier Wochenendtage vor oder nach den offiziellen Feiertagen,
die ebenfalls arbeitsfrei sind und inzwischen als „goldene Woche“
für Urlaub und Freizeit bezeichnet werden. Dies fördert einerseits
die Entwicklung der ogenannten „Ferienwirtschaft“, bringt
andererseits aber auch Probleme mit sich.
Nach statistischen Angaben waren in den bisherigen goldenen Wochen
minimal 20 und maximal 73 Millionen Reisende unterwegs. Die
Reisebüros nehmen allein in einer derartigen goldenen Woche
zwischen 14,1 und 28,8 Milliarden Yuan Renminbi ein – das sind
umgerechnet rund 1,9 bis 3,9 Milliarden Euro. Zweifellos also auch
eine goldene Woche für Reisebüros, Fluggesellschaften, Hotels,
Gastronomie und Verwalter der Reiseziele.
Der Abteilungsleiter Inlandstourismus beim Reisebüro China Comfort
Travel, Pang Guiqiu, zog insgesamt eine positive Bilanz aus dem
traditionellen Frühlingsfest im Februar:
„Während des chinesischen Frühlingsfestes 2002 haben rund 10.000
Leute bei China Comfort Travel eine Auslandsreise gebucht, und
weitere 3.000 machten mit uns eine Inlandstour. Mit beiden Zahlen
sind wir äußerst zufrieden. Denn das Frühlingsfest ist die beste
Saison für eine Reise ins Ausland, insbesondere nach Süden in
südasiatische Länder oder nach Australien.“
Dank der Erhöhung des Lebensstandards und der Verbesserung der
Urlaubsangebote sind „Reise“ und „Urlaub“ heutzutage auch für
normale Chinesen ein Begriff. Sie wollen entweder in fremde Länder
reisen, was als Abenteuer gilt, oder lang ersehnte Wunschziele in
China besuchen - wie zum Beispiel die Hauptstadt Beijing. Andere
wieder sind der Meinung, dass Ferientage vor allem eine gründliche
Erholung vom Stress der Arbeit sein sollen. Dann gehen sie lieber
in die Natur und genießen die schöne Landschaft. All den
verschiedenen Wünschen tragen die Reisebüros inzwischen Rechnung –
sie haben eine bunte Palette für die Maifeiertage vorbereitet. Zur
Auswahl stehen diesmal sowohl Erholungstouren zum Beispiel nach
Phuket in Thailand, als auch Kulturreisen nach Ägypten. Dazu der
Abteilungsleiter für Auslandstouren beim Reisebüro China Comfort
Travel, Zhang Hao:
„Für das Maifest haben wir verschiedene Touren organisiert,
darunter erstmals Touren nach Ägypten und in die Türkei, beide
Länder sind unlängst offiziell als Reiseziele für chinesische
Touristen freigegeben worden. Im Vergleich zu den normalen
Reisezeiten liegen die Preise während des Maifestes nur leicht über
dem Durchschnitt. Denn auch der touristische Markt entwickelt sich,
die Kunden wissen inzwischen ganz genau, was sie wollen. Da kann
niemand unvernünftig hohe Preise verlangen. Und eine Preissenkung
bekommen die Kunden normalerweise nur deswegen, weil die
Fluggesellschaften uns Charter-Flüge anbieten. Die Qualität des
Reiseservice wird keinesfalls vermindert.“
Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua zufolge liegt der höchste
Saison-Aufschlag für eine Reise nach Südostasien, oft als Barometer
der Saison-Preise bezeichnet, diesmal nur bei knapp 500 Yuan,
umgerechnet rund 70 Euro. Reisen nach Japan sind dagegen sogar
billiger geworden. Eine 4tägige Japan-Reise kostet nun knapp 6000
Yuan, rund 800 Euro.
Trotz der Qualitätsbeschwörungen der Reiseagenturen sind der
jüngsten Meinungsumfrage des Chinesischen Instituts für
Wirtschaftsforschung unter 600 Reisenden aus Beijing, Shanghai und
Guangzhou zufolge gut 64% der Befragten unzufrieden mit der
Preissteigerung während der Festtage. 43% der Befragten beklagen
sich über einen verschlechterten Service.
Frau Deng Danyu aus dem Beijinger Arbeitvermittlungszentrum zum
Beispiel hat viermal hintereinander während der goldenen Woche
zusammen mit ihrer Familie Reisen unternommen – sowohl im Inland,
als auch ins Ausland. Sie sagt:
„Das erste Mal war 1999. Damals sind wir in die südchinesische
Stadt Guilin gereist, zum bekannten Lijiang-Fluss also. Da war der
Empfang sehr schlecht. Die Unterkunft, das Essen und die Flüge,
nichts lief so, wie das Reisebüro uns versprochen hatte. Aber das
war die erste goldene Woche. Inzwischen hat sich die Situation
einigermaßen verbessert. Die Reise nach Europa, nach Köln zum
Beispiel, gefiel mir gut. Der Dom hat mich sehr beeindruckt.“
Die Frage, ob sie jetzt für die goldene Woche im Mai eine Reise
gebucht habe, verneinte Frau Deng jedoch. Sie wolle lieber darauf
warten, bis sich der Reise-Service deutlich verbessert hat.
Eine Verbesserung der Dienstleistungen hält auch der
Abteilungsleiter des Reisebüros China Comfort Travel, Pang Guiqiu,
für nötig:
„Eine dringende Aufgabe der Reisebüros liegt darin, ihr Personal
auszubilden und das Dienstleistungsbewusstsein zu verstärken.
Außerdem bemühen wir uns darum, uns zum Großhändler der Branche zu
entwickeln. Dies entspricht u.a. auch den Forderungen nach Chinas
WTO-Beitritt. Denn nur so können die hiesigen Reisebüros der
Konkurrenz ausländischer Reisebüros gewachsen sein.“