Mit der schnellen Entwicklung der chinesischen Wirtschaft nimmt der
Energie-Verbrauch landesweit schnell zu. Obwohl China über
beträchtliche Energie-Vorkommen verfügt, ist der Pro-Kopf-Anteil an
Energie wegen der großen Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden
Einwohnern jedoch relativ gering. Außerdem bestehen rund 90% der
chinesischen Energie-Vorräte aus Kohle, deren Verbrennung die
Umwelt schwer belastet. Um die vorhandenen Reserven besser zu
nutzen und zugleich die Umwelt zu schützen, orientiert die
chinesische Regierung inzwischen darauf, landesweit
umweltfreundliche Energien wie die Solarenergie einzusetzen.
Infolge der Energiekrise im Jahr 1974 in den Nahen Osten wurden in
vielen Ländern der Welt die Erschließung und Nutzung von neuen
Energien wie Solar- oder Wasserenergie verstärkt. In China begann
man damit, Solar-Warmwasserbereiter zu entwickeln und herzustellen.
Aller Anfang ist schwer. Professor Yin Zhiqiang von der
Tsinghua-Universität, der gleichzeitig die Forschungsabteilung der
Tsinghua Solar GmbH leitet, erinnert sich an die Zeit der
Pionierarbeit:
„Die Forschungsarbeiten zur praktischen Nutzung der Solarenergie im
Bereich Solar-Thermik begannen im Januar 1979 an der
Tsinghua-Universität. Die erste Phase dauerte ungefähr 6 Jahre.
Dann haben wir den ersten Solar-Wärmespeicher in China entwickelt.
Um unsere Technik praktisch einzusetzen, mussten wir zuerst ein
paar Modellanlagen produzieren und sie unseren Kunden vorstellen.
Da die Forschungsgruppe nicht genug Geld hatte, mussten wir uns
Geld von der Uni ausleihen. Und ich als Professor musste damals
manchmal sogar mit einem Lasten-Dreirad mit unseren Produkten
darauf zu den Kunden fahren, um ihnen unsere Produkte vorzustellen
und sie zu überzeugen.“
Die harte Arbeit hat sich gelohnt. Da die Produkte patentiert sind
und die Selbstkosten im Vergleich zu ausländischen Produkten
relativ niedrig sind, haben sie schnell Kunden gefunden. Und es kam
zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Professor Yin und
seiner Gruppe und der Beijinger Glaswarenfabrik, der drittgrößten
Fabrik ihrer Art in der Welt. Die Jahresproduktion betrug anfangs
nur 500 000 Wärmespeicherröhren. Doch die wachsende Nachfrage am
Markt führte zum Ausbau der Produktion. Die Jahresproduktion der
Tsinghua Solar GmbH ist derzeit bereits auf 7 Millionen Stück
geklettert. Der Generalsekretär der Chinesischen
Studiengesellschaft für Solarenergie, Meng Xian’gan, erläutert den
Boom so:
„Die Verwendung der Solar-Warmwasserbereiter ist leicht zu
popularisieren. Denn sie werden immer dringender gebraucht für das
Alltagsleben der Bevölkerung. Ein wichtiger Grund für die schnelle
Verbreitung des Solar-Warmwasserbereiters war natürlich, dass sie
total preiswert sind. Zwar wurden sie anfangs zumeist in Hotels,
öffentlichen Badeanstalten sowie Betrieben benutzt – schließlich
hatten die Chinesen vor zehn Jahren noch relativ wenig Geld - doch
im Zuge der Erhöhung des Lebensstandards und eines wachsenden
Umweltbewusstseins erhöhte sich auch die private Nachfrage nach
Warmwasserbereitern sprunghaft. Selbst viele Bauern können sich
heutzutage ein derartiges Haushaltsgerät leisten.“
Meng Xian’gan zufolge gibt es derzeit landesweit über 1000 große
und mittelgroße Hersteller von Solar-Warmwasserbereitern mit einem
jährlichen Produktionsvolumen von mehr als 6 Milliarden Yuan. Dies
ist weltweit die Nummer eins. Doch Professor Yin sieht dabei noch
viele Probleme. Yin nahm persönlich an der Ausarbeitung der
staatlichen Standards für die Produktion und die Qualität der
Solar-Warmwasserbereiter teil. Er sagte:
„Um den Markt zu standardisieren, müssen zuerst entsprechende
Regelungen und gesetzliche Vorschriften ausgearbeitet und dann auch
tatsächlich praktisch umgesetzt werden. Es gibt derzeit in China
zahlreiche Raubkopien unserer Produkte. Das Urheberrecht muss
besser geschützt werden.“
Zur thermalen Nutzung der Solarenergie gehören zum Beispiel auch
Heizungen für einstöckige Häuser auf dem Lande und Solarzellen,
also Sonnenkollektoren für die Stromerzeugung. In den nördlichen
Landesteilen Chinas werden heutzutage immer häufiger sogenannte
„Solarhäuser“ gebaut. Entsprechende Baupläne erhält man von den
wissenschaftlichen Instituten der Städte. Durch die Nutzung der
Solar-Energie können im Winter rund 70% der normalerweise für die
Heizung gebrauchten Energie eingespart werden.
Besonders geeignet für die flächendeckende Nutzung der Solarenergie
ist das Qinghai-Tibet-Hochplateau mit seiner überdurchschnittlichen
Sonnenscheindauer und –intensität. Denn viele Dörfer liegen in
abgelegenen Gebieten und haben deshalb keinen Anschluss ans
Stromnetz. Dort sollen künftig verstärkt Solarzellen eingesetzt
werden. In den letzten Jahren wurden in Tibet 7 Solarkraftwerke
eingerichtet, die inzwischen einen Teil des Energiebedarfs der
Bevölkerung decken.
Der Generalsekretär der Studiengesellschaft für Solarenergie, Meng
Xian’gan, sieht eine große Zukunft in der Nutzung von Solarenergie.
Allerdings sei noch viel zu tun:
„Die Nutzung von Solarenergie befindet sich zur Zeit in China noch
in der Anfangsphase. Die Solarenergie macht derzeit nur knapp 1%
des gesamten Energieverbrauchs aus. Die staatliche
Planungskommission, das Wirtschafts- und Handelskomitee und das
Ministerium für Wissenschaft und Technik haben nun gemeinsam ein
Programm zur Erschließung neuer bzw. regenerierbarer Energien
veröffentlicht. Im 21. Jahrhundert wird die Nutzung von
Solarenergie sicher eine Boomzeit in China erleben.“