Nach den Voraussagen von Experten wird die Zahl der chinesischen
Bevölkerung im Jahr 2030 die 1,6 Milliarden-Grenze erreichen. Die
für jeden Einwohner zur Verfügung stehende Wassermenge wird sich
dadurch auf die weltweit anerkannte minimale
Pro-Kopf-Wasserbedarfsmenge von 1700 Kubikmetern pro Jahr
reduzieren. Schon jetzt sind in China zahlreiche
Wassergewinnungsprojekte sowie weitere Maßnahmen geplant, um mit
Wasser sparsamer umzugehen und einer bevorstehenden Wasserarmut
entgegenzuwirken. Meine Kollegin XXX sprach darüber mit dem
Wissenschaftsrat der chinesischen Akademie der Wissenschaften,
Professor Liu Changming.
Statistischen Angaben zufolge stehen in China derzeit 800 bis 950
Milliarden Kubikmeter an Nutzwasser zur Verfügung. Diese Menge
entspricht auch der maximalen Menge der Wasserressourcen des
Landes. Warum insbesondere in Nordchina eine Wasserverknappung
droht, erklärte Professor Liu Changming von der chinesischen
Akademie der Wissenschaften wie folgt:„Die Hauptursachen der
Wasserverknappung sind folgende. Zum einen führt der übermäßige
Wasserverbrauch in den Städten zu einem Grundwassermangel, dazu
kommen die geringen Niederschlagsmengen und die Verknappung des
Oberflächenwassers. Zum anderen trocknen die Flüsse in Nordchina
mehr und mehr aus. Der Haihe-Fluss drohte bereits in den 70er
Jahren auszutrocknen. Noch in den 50er Jahren war Nordchina überall
reich an feuchten Böden und wasserreichen Flüssen. Der übermäßige
Wasserverbrauch der Menschen bewirkte ein zunehmendes Austrocknen
der Flüsse. Man sagt, früher gab es Flüsse, heute sind sie trocken;
früher gab es Wasser, heute ist es verschmutzt. Von der
Austrocknung am schlimmsten betroffen ist der Unterlauf des
Gelben-Flusses. Der Gelbe Fluss gehört zu den größten Strömen
Chinas, der nicht nur hierzulande, sondern auch weltweit Beachtung
findet. Seit den 90er Jahren ist er aber am Unterlauf jedes Jahr
von der Austrocknung bedroht. Eine dritte Ursache der Wasserarmut
ist die Zerstörung der Umwelt und der Artenvielfalt. Der Erdboden
verdorrte zusehends, was zu einer wachsenden Zahl von Sandstürmen
entlang des Gelben-Flusses führte. Die chinesische Regierung hat
nun beschlossen, die Nutzung des Wasser des Gelben-Flusses zentral
zu verwalten und eine gesetzliche Regelung zum Schutz des
Gelben-Flusses auszuarbeiten. Auch das Wasserversorgungssystem soll
rationalisiert werden. Seit dem Jahr 2000 konnte die Austrocknung
des Gelben-Flusses an seinem Unterlauf bereits vermindert
werden.“
Rund 70 Prozent der Wasserressourcen werden in der Landwirtschaft
verbraucht. Die Landwirtschaft ist deshalb ein zentraler
Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Wasserarmut und der
Wassereinsparung. Analysen zufolge kann die Landwirtschaft Chinas
auch ohne steigenden Wasserverbrauch die Ernähungsbedürfnisse der
Bevölkerung befriedigen. Voraussetzung dafür seien Fortschritte in
Wissenschaft und Technik sowie ein größeres Investitionsvolumen,
betonte Professor Liu weiter:„Der Wasserverbrauch ist im
Alltagsleben und in Industrie nicht so groß, in der Landwirtschaft
aber umso größer. Dort verdampft ein Großteil des Wassers allein
durch die Fotosynthese. Das führt nicht zu mehr Niederschlägen,
verschlingt aber mehr als 90 Prozent der in der Landwirtschaft
verbrauchten Wasserressourcen. Mehr Wasser für die Landwirtschaft
führt zu noch höheren Verlusten bei den Wasserressourcen.“
Nach jüngsten statistischen Angaben des chinesischen
Wissenschaftsinstituts wird in China so viel Wasser wie in den USA
verbraucht. Das Bruttoinlandsprodukt der USA ist aber acht Mal so
groß wie das Chinas. Der Anteil des Wassers, das der Industrie
wiederaufbereitet zugeführt wird, erreicht nicht einmal die Hälfte
des Anteils in den Industrieländern. In China mangelt es an
gesetzlichen Regelungen und Bestimmungen. Seit langem wird beim
Wasserverbrauch das Wassersparen vernachlässigt. Mit den
Wasserressourcen wird eher verschwenderisch umgegangen. Jetzt
sollen in China verstärkt Maßnahmen zur Wassereinsparung getroffen
werden, erzählt Professor Liu Changming weiter:„Ziel der Maßnahmen
ist die Wassereinsparung, weil gegenwärtig noch sehr
verschwenderisch mit Wasser umgegangen wird. Eine der Maßnahmen ist
die Erhöhung des Wasserpreises. Mit zunehmendem Wachstum der
Wirtschaft und der Erhöhung des Einkommens bei den Menschen ist
diese Maßnahme durchführbar. In politischer Hinsicht wird der Staat
die Wasserressourcen zentral verwalten und verteilen. Die
Verteilung des Wassers wird strenger überwacht, um die
Verschwendung der Wasserressourcen zu verhindern.“
Ein rationeller Wasserpreis ist ein wichtiger Schritt zu mehr
Wassereinsparung, zur Beseitigung der Wasserverschmutzung und der
rationellen Einsetzung der Wasserressourcen. Die privaten Haushalte
gaben im Jahre 1988 in den 36 großen bzw. mittelgroßen Städten 0,14
Yuan für einen Hektoliter Wasser aus, heute müssen sie bereits 1,27
Yuan zahlen. Dies bedeutet eine Preissteigerung von jährlich 19,3
Prozent.
Für die chinesische Regierung ist die Förderung der
Wassereinsparung eine strategische Maßnahme, um die
Wassernutzungsrate zu erhöhen und dem Ziel einer wassersparenden
Gesellschaft näherzukommen. Die chinesische Regierung drängt
darauf, die sich verschärfende Wasser-Krise zu lösen. So wurden
einige große Wasser-Projekte in Angriff genommen. Am
aufsehenerregendsten ist das Projekt " Versorgung Nordchinas mit
Wasser aus Südchina", ein Projekt, das zum zehnten 5-Jahres-Plan
gehört. Das Projekt, das voraussichtlich in diesem Jahr starten
wird, soll die Trockengebiete Nord- und Nordwestchinas mit sauberem
Wasser des Yangtse und dessen Nebenflüsse versorgen. Jährlich
sollen planmäßig rund 38 bis 48 Milliarden Kubikmeter Wasser nach
Nordchina geleitet werden. Dies entspricht in etwa dem
Wasservolumen des Gelben Flusses. Schätzungen zufolge sollen die
von der Wasserarmut betroffenen Gebiete Nordchinas bis 2010 mit
Wasser des Yangtse versorgt werden.
Dazu noch einmal Professor Liu Changming von der Akademie der
Wissenschaften:„Das vom Staat initiierte Projekt "Versorgung
Nordchinas mit Wasser aus Südchina" kann den Wassermangel in
Nordchina beheben. Ich muss jedoch betonen, dass auch dieses
Projekt nur auf Basis einer strengen Wasserhaushaltung erfolgreich
sein wird. Geht man weiter so wie früher mit dem Wasser um, wird
auch das aus dem Süden hergeleitete Wasser verschwendet werden.
Diese Vorgehensweise lohnt sich nicht. Ministerpräsident Zhu Rongji
hatte einmal drei Regeln aufgestellt. Die lauten: man sollte zuerst
sparsam mit Wasser umgehen, bevor Wasser aus dem Süden hergeleitet
wird. Man sollte zuerst die Verschmutzung beseitigen, bevor das
Wasser fliessen kann. Und man muss zuerst den Umweltschutz
gewährleisten, bevor das Wasser genutzt wird. Dies sind nunmehr
grundlegende Prinzipien der chinesischen Regierung bei der Nutzung
der Wasserressourcen in Nordchina.“
Zur Errichtung einer wassersparenden Gesellschaft werden drei
Faktoren einen wichtigen Beitrag leisten. Zum einen mehr
Wasserersparnis durch wissenschaftlich-technischen Fortschritt,
zweitens der Beitrag der Industrie zur Wassereinsparung und
drittens die politische Unterstützung. Der Wasserpreis könnte in
diesem Prozess die wichtigste Rolle spielen. Zum Faktor
wissenschaftlich-technischer Fortschritt gehören eine häufigere
Wiederaufbereitung des Wassers, die Erschließung alternativer
Wasserressourcen und die Speicherung von Regenwasser in den
Bergregionen.
Hinsichtlich der Versorgung der Städte mit Wasser stehen viele
Länder der Welt vor der Aufgabe, sparsamer mit Wasser umzugehen.
Selbst Länder mit reichen Wasserressourcen sind in den letzten
Jahren infolge der zunehmenden Abwasserbelastung zu größerer
Wassereinsparung übergegangen. In einer modernen Stadt ist die
Wasserversorgung ein kompliziertes Unterfangen. Die Behörden können
dort vor allem über den Preis einen sparsameren Umgang mit Wasser
erreichen.