Unter den 32 chinesischen Provinzen, autonomen Gebieten und
regierungs-ummittelbaren Städten hatte nur Tibet bislang keinerlei
Anschluss an das Eisenbahnnetz. Seit Generationen war es ein kühner
Traum der Chinesen, eine Eisenbahn nach Tibet zu bauen. Inzwischen
geht dieser Traum unter Leitung der Kommunistischen Partei und des
Staatsrates in Erfüllung: Am 29. Juni 2002 war Ministerpräsident
Zhu Rongji in der Stadt Germu in der Provinz Qinghai am
Ausgangspunkt der künftigen Eisenbahn-Strecke nach Tibet beim
feierlichen Baubeginn dabei. Gleichzeitig nahm
Vizeministerpräsident Wu Bangguo am andereren Ende der geplanten
Strecke, in der tibetischen Hauptstadt Lhasa, an der Zeremonie zum
Baubeginn teil. Damit begannen die Arbeiten an der
Eisenbahnverbindung von Qinghai nach Tibet, die wegen der
geographischen Besonderheiten ingenieurtechnische Meisterleitungen
verlangt und entsprechendes Interesse in aller Welt findet.
So
werden sie Züge auf dem Weg nach Tibet das 4.700 Meter
Kunlun-Gebirge überqueren – und das 5.200 Meter hohe
Tanggula-Gebirge. Durch das Hochland von Tibet geht es dann weiter
nach Lhasa – insgesamt 1142 km. Dabei wird parallel zur
Eisenbahnlinie eine Autobahn nach Lhasa gebaut.
Über die Bauerabeiten zur verkehrstechnischen Erschließung Tibets -
ein Schwerpunktprojekt im Rahmen der Erschließung Westchinas –
wollen wir Sie nun ausführlicher informieren.
Die Qinghai-Tibet-Eisenbahn verbindet die Hauptstadt der Provinz
Qinghai, Xining, mit der tibetischen Hauptstadt Lhasa. Die
Gesamtlänge der Strecke beträgt 1956 km. Dabei wurde das Teilstück
von Xining nach Germu bereits im Mai 1984 freigegeben. Das war die
erste Phase dieses Bauprojektes. Aus technischen und finanziellen
Gründen konnte damals die zweite Phase, also der Hauptteil der
Strecke von Germu nach Lhasa, nicht fortgesetzt werden. Allerdings
gingen die Untersuchungen, Tests und Planungen weiter. Am 8.
Februar 2001 wurde schließlich die zweite Projektphase vom
Staatsrat genehmigt. Der 1142 km lange Abschnitt von Germu nach
Lhasa wird voraussichtlich reichlich 26 Milliarden Yuan kosten, die
die Zentralregierung zur Verfügung stellt. Laut Plan sollen auf der
zweigleisigen Strecke allein 8 Zugpaare – also 16 Züge - für den
Passagierverkehr eingesetzt werden. Zudem sollen 5 Millionen Tonnen
Güter befördert werden.
Der Bau der Qinghai-Tibet-Bahn gilt als Pionierleistung in der
internationalen Eisenbahngeschichte. Dazu der Vizeleiter der
Abteilung Qinghai-Tibet-Bahn im chinesischen Eisenbahnministerium,
Zhu Zhensheng:„Die Qinghai-Tibet-Bahn ist die weltweit höchste und
längste Eisenbahn durch eine Hochgebirgsregion. Die Strecke über
das Tanggula-Gebirge überquert beispielsweise eine Pass-Höhe von
5072 Metern über dem Meeresspiegel, und rund 900 Kilometer der
Bahnlinie verlaufen in mehr als 4000m Höhe über dem Meeresspiegel.
Damit wird schon deutlich, dass das Projekt gewaltige Anstrengungen
kostet und technisch äußerst schwierig ist. Beim Bau stehen
Probleme an, die anderswo nicht zu erwarten sind. Beispielsweise
hat man es hier mit Frostböden zu tun, und mit eisiger Kälte und
Sauerstoffmangel. Es gilt, Belange des Umweltschutzes zu
berücksichtigen. Auf derartige Probleme ist man beim Bau anderer
Eisenbahnlinien bisher kaum gestoßen, jetzt aber muss man sie
bewältigen.“
Auch die regionalen Regierungen in Tibet und Qinghai messen dem Bau
dieser Eisenbahnlinie große Aufmerksamkeit bei, und ein
Leitungsteam für die Koordination beim Eisenbahnbau wurde
gegründet. Parallel zur konkreten Streckenplanung wird auch der
Umweltschutz in die Planungen miteinbezogen.
Durch wiederholte Untersuchungen und Vermessungen vor Ort sowie
Konsultationen mit den betroffenen regionalen Behörden hat das
chinesische Eisenbahnministerium bereits konkrete Maßnahmen für den
Umweltschutz und für die Lösung technischer Probleme in jenen
Naturschutzgebieten getroffen, durch die die Eisenbahnlinie
verlaufen wird. Denn die Qinghai-Tibet-Bahn wird drei wichtige
Naturreservate durchqueren - und zwar eine extrem niederschlagsarme
Sandwüste, ein hoch über dem Meeresspiegel liegendes Gebiet mit
Frostboden und ein bislang ökologisch intaktes Gebiet mit besonders
guten Naturbedingungen. Speziell für diese Gebiete wurden bereits
ökologische Maßnahmen geplant. So werden in der extrem trockenen
Sandwüste großflächige Schutzwaldstreifen beiderseits der
Bahnstrecke aufgeforstet, und beim Bau der Strecke über das Plateau
mit Frostboden muss das Gleichgewicht der Temperaturverhältnisse im
Boden aufrechterhalten werden. Außerdem durchzieht die Eisenbahn
verschiedene Naturschutzgebiete auf Nationalebene, darunter die
Naturschutzgebiete in Kekexili, Sanjiangyuan und Qiangtang. Hier
gilt es, den Einfluss der Eisenbahn auf die dortige Tier- und
Pflanzenwelt besonders aufmerksam zu beobachten.
Darüber hinaus haben die Zentral- und die regionalen Regierungen
Experten beauftragt, die Lebensumstände der Tiere in freier
Wildbahn und eventuell erforderliche Umsiedlungen zu untersuchen.
Dabei werden schon jetzt im Voraus Evakuierungswege für die Tiere
freigehalten.
Zugleich wird im Fall von Naturschutzgebieten natürlich schon bei
der Planung das Prinzip verfolgt, derartige Gebiete nach
Möglichkeit weiträumig zu umgehen.
Zugleich werden bei den Planungen Belange des Wasserschutzes für
die Quellgebiete der Flüsse und die Verhinderung von eventuell
durch den Bau ausgelösten ökologischen Katastrophen
schwerpunktmäßig berücksichtigt.
Zum Umweltschutz beim Eisenbahnbau noch einmal Zhu Zhensheng:„Das
Qinghai-Tibet-Plateau wird als das Dach der Welt bezeichnet. Es ist
der Ursprung verschiedener Flüsse in China und Südostasien,
zugleich aber auch ein Ort der Artenvielfalt bei
hochgebirgstypischen Tieren und Pflanzen. Das ökologische Umfeld
ist sowohl einzigartig und primitiv, als auch verletzbar und
empfindlich. Das Zentralkomitee der Partei und der Staatsrat
schenken dem Umweltschutz bei der Qinghai-Tibet-Bahn große
Aufmerksamkeit und haben wichtige Hinweise gegeben. Die Ministerien
für Eisenbahn, Wasserbau und Bodenressourcen sowie das staatliche
Umweltschutz-Amt haben so gemeinsame Umweltschutzprinzipien für die
Eisenbahn festgelegt. Es wird gefordert, das Naturumfeld, die
Wildtiere und die Pflanzen im Frostboden zu schützen und die
Bodenerosion und geologische Katastrophen zu verhindern. Allen
Projektbeteiligten ist die Notwendigkeit des Umweltschutzes
bewusst: Mit Blick auf die möglichen Folgen und mit Blick auf die
geforderte Nachhaltigkeit scheuen sie sich nicht, mehr Geld
auszugeben und mehr Anstrengungen zu unternehmen. Sie sind auch
entschlossen, den Umweltschutz zu sichern und die Qualität des
Projektes zu garantieren.“
Zur Qualitätssicherung des Projektes erließ die zentrale Leitstelle
für den Bau der Qinghai-Tibet-Bahn nach dem Baubeginn weitere
Verwaltungsvorschriften. Darin wurden alle am Bau Beteiligten für
die Qualitätsversicherung verantwortlich gemacht. Befugnisse und
Verantwortlichkeit wurden eindeutig festgesetzt und die
Vorschriften streng eingehalten. Überdies wurde eine spezielle
Institution für die Qualitätskontrolle des Eisenbahnprojektes
errichtet. Zudem sollen neue Kontrollmechanismen die Qualität
sichern: Stichworte hier: Selbstkontrolle der Betriebe, Aufsicht
durch die Gesellschaft, Überwachung durch die Regierung und
Bewertung durch die Kunden. Es ist das erste Mal in der
chinesischen Eisenbahngeschichte, dass eine spezielle Institution
als Dritter die Überwachungsfunktion der Regierung vertritt. Dazu
Zhu Zhensheng:„Bislang kommt das Bauprojekt relativ gut voran. 2002
gilt als ein schwieriges Jahr für den Bau der Eisenbahn
Qinghai-Tibet. Von diesem Jahr an rückt das Projekt nämlich in das
4000m über dem Meeresspiegel liegende Frostboden-Gebiet vor. Im
Moment geht alle Arbeit ordentlich voran. Bis 1. November sind
insgesamt 6,4 Milliarden Yuan in das Projekt investiert worden, 5,2
Milliarden davon aus dem diesjährigen Etat. Insgesamt 116 km Gleise
wurden verlegt. Dabei wurde sogar ein neuer Rekord aufgestellt: Es
ist uns nämlich gelungen, täglich 6 km Gleis auf dem Plateau zu
verlegen. 100% der fertiggestellten Gleisbettungs- und
Brückeprojekte haben die Qualitätskontrolle bestanden, über 90%
davon sind von erstklassiger Qualität.“
Nach Fertigstellung wird diese Eisenbahnlinie quer durch Qinghai
und Tibet verlaufen und die beiden Gebieten mit dem Binnenland in
Verbindung bringen. Sie wird zu einem Verkehrweg von strategischer
Bedeutung und gleichzeitig einem wichtigen Bestandteil des
Hauptverkehrsnetzes in Westchina. Dank dieser Schlagader wird die
Wirtschaft in Qinghai und Tibet sozusagen auf das Gleis einer
nachhaltigen Entwicklung gebracht werden. Der einzigartige
Ressourcenvorteil in der Region wird in vollem Maße entfaltet und
das Leben verschiedener Nationalitäten entlang dieser
Eisenbahnlinie wird sich gründlich verändern. Dau noch einmal Zhu
Zhensheng:“Die Qinghai-Tibet-Bahn ist von großer Bedeutung. Es ist
eine wichtige strategische Entscheidung des ZK der KP Chinas und
des Staatsrates, diese Eisenbahnverbindung zu bauen. Sie gehört zu
den Symbolprojekten im Rahmen der Erschließung Westchinas und
genießt landesweit große Aufmerksamkeit. Nach der Freigabe dieser
Linie wird die Lücke im Eisenbahnnetz in Westchina geschlossen
werden, denn es gibt heute landesweit nur in Tibet noch keine
Zugverbindung. Für die verstärkten Kontakte zwischen den östlichen
und westlichen Landesteilen, den Kultur- und Wirtschaftsaustausch
zwischen den Tibetern und den anderen Nationalitäten des Landes,
für die Festigung der nationalen Solidarität und das Wohl und Glück
der betroffenen Anwohner ist es von großer Bedeutung, auf dem
Qinghai-Tibet-Plateau einen ökonomischen, schnellen
Allwettertransportweg mit großer Kapazität zu bahnen, die
Verkehrsbedingungen im gesamten Qinghai-Tibet-Hochland gründlich zu
verbessern, das dortige Investitionsklima zu ändern und die
Ressourcenerschließung und wirtschaftliche Entwicklung in der
Region zu fördern.“
Nicht zuletzt hat die Eisenbahn Qinghai-Tibet auch eine
touristische Bedeutung. Nach der Fertigstellung der Linie wird den
Touristen eine noch sichere, bequemere und günstigere
Verkehrsmöglichkeit angeboten. Zweifellos wird dies in Zukunft noch
mehr Touristen nach Qinghai und Tibet bringen. Damit wird zugleich
auch eine noch bessere und stabilere Grundlage für den Tourismus in
der Region geschaffen werden.