In China, dem Agrarland der Welt, leben mehr als 800 Millionen der insgesamt 1,3 Milliarden Einwohner auf dem Lande in bäuerlichen Verhältnissen. Insofern spielen also Landwirtschaft und ländliche Lebensweise nach Auffassung von Dang Guoying, Wissenschaftsrat am Forschungsinstitut für die Entwicklung der ländlichen Gebiete der Chinesischen Akademie für Geisteswissenschaften, eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Zugleich bedeutet eine Entwicklung der ländlichen Wirtschaft auch wachsende Einkommen und damit Lebensverbesserungen der Landbevölkerung. In gewissem Sinne hängt damit die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in China insgesamt von der Entwicklung der ländlichen Gebiete ab. Dazu sagte Dang Guoying weiter:
„Die Bauern bilden den Löwenteil der Gesamtbevölkerung des Landes,
denn mehr als 60% aller Chinesen leben in ländlichen Gebieten. Zur Zeit sind Einkommensniveau und Lebensstandard der Landbevölkerung noch relativ niedrig und vor allem viel niedriger als in den Städten. Deshalb ist in gewissem Sinne die Entwicklung der ländlichen Gebiete die Schlüsselfrage für die Entwicklung Chinas.“
Seit Anfang der 80er Jahre hat sich auch die Produktivität auf dem Lande in China schnell erhöht. So entspricht das Aufkommen bei den hauptsächlichen Agrarprodukten, vor allem bei Getreide, inzwischen dem Bedarf. Damit hat China einen großen Beitrag zur Getreidesicherheit weltweit geleistet. Allerdings zeigten sich bereits in den 90er Jahren Schwierigkeiten bei der Erhöhung der Einkünfte der Landbevölkerung. Offiziellen Statistiken zufolge sind die Einkünfte der chinesischen Bauern in den vergangenen Jahren stets langsamer gewachsen als die der Einwohner in den Städten. 2002 lag das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in den chinesischen Städten bei mehr als 7.700 Yuan RMB, während das Pro-Kopf-Einkommen der Landbevölkerung nicht einmal ein Drittel davon ausmachte.
Um das Problem zu lösen, hat die chinesische Regierung eine Reihe von Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Wirtschaft und zur Erhöhung der Einkünfte der Landbevölkerung ergriffen. Dazu gehören die Regulierung der Struktur der Agrarprodukte, verstärkte Investitionen für die Landwirtschaft und mehr Mittel für die ländlichen Gebiete sowie verstärkte Hilfen zur Armutsbekämpfung auf dem Lande.
Inzwischen zeigen diese Maßnahmen erste Ergebnisse, es gibt wirtschaftliche Veränderungen auf dem Lande. Dazu der chinesische Landwirtschaftsminister Du Qinglin:
„Die chinesische Regierung sieht die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Wirtschaft sowie die Erhöhung der Einkünfte der Landbevölkerung als eine der wichtigsten Aufgaben bei der Entwicklung der Volkeswirtschaft und hat demzufolge die Ausgaben für die Landwirtschaft und die ländlichen Gebiete verstärkt. Dies hat dazu beigetragen, die Produktions- und Lebensbedingungen der chinesischen Landbevölkerung zu verbessern. In den ländlichen Gebieten haben sich in den vergangenen Jahren große Veränderungen vollzogen. Die Grundstellung der Landwirtschaft sind gestärkt worden, und auch die industrielle Wirtschaft auf dem Lande hat sich stabil und gesund entwickelt.“
Zu den von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung des Lebens auf dem Lande gehört auch die Steuer- und Gebührenreform in den ländlichen Regionen.
Tatsächlich hat die chinesische Regierung schon vor mehreren Jahren damit begonnen, eine Steuer- und Gebührenreform in den ländlichen Gebieten durchzusetzen, um die finanziellen Belastungen der chinesischen Bauern zu lindern. Dabei wurden die Agrarsteuer reduziert und verschiedene Gebühren annulliert. So konnten die finanziellen Belastungen der Bauern allein im vergangenen Jahr um mehr als 30% im Vergleich zum Jahr davor gesenkt werden.
In der ostchinesischen Provinz Anhui wurde vor mehr als 20 Jahren erstmals in China das System der vertragsgebundenen Verantwortlichkeit der Bauernhaushalte für den Produktionsertrag eingeführt, das sich inzwischen landesweit bewährt. Diese Provinz gehörte nun den ersten Versuchsprovinzen, in denen die Steuer- und Gebührenreform in ländlichen Gebieten Chinas getestet wurde. Dabei wurden eine Reihe von wertvollen Erfahrungen gesammelt. Der Chef der Finanzabteilung der Provinzregierung von Anhui, Zhu Yuming,der sich seit langem mit Steuer- und Finanzmaßnahmen beschäftigt hat, kennt sich in der Steuer- und Gebührenreform gut aus. Er sagte, die erfolgreichen Erfahrungen von seiner Provinz hätten bewiesen, dass die Steuer- und Gebührenreform zur Erhöhung der Einkünfte der Landbevölkerung und zur Entwicklung der ländlichen Gebiete beigetragen habe:
„Nach den Bemühungen in den vergangenen 3 Jahren hat unsere Provinz bedeutende Erfolge bei der Steuer- und Gebührenreform in den ländlichen Gebieten erzielt. Damit haben die Bauern eine Chance erhalten, sich zu erholen. Ihr Produktionsenthusiasmus hat sich gesteigert, die Produktion wuchs. Auch die Einkünfte der Bauern haben nach und nach zugenommen.“
Inzwischen trägt zudem die Entwicklung der industriellen Wirtschaft auf dem Lande dazu bei, das Problem der überschüssigen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte wirksam zu entspannen. Die Firma Sanquan ist ein ländliches Lebensmittelunternehmen in der zentralchinesischen Provinz Henan. Mit Unterstützung der lokalen Regierung hat sich das Unternehmen zu einem großen Arbeitgeber mit mehr als 10.000 Beschäftigten entwickelt. Wie Generaldirektor Chen Zemin erläutert, werden in der Firma Produkte aus den ländlichen Gebieten verarbeitet, und die meisten Beschäftigten sind Bauern. Der Betrieb entwickele sich zusehends, damit werde nicht nur die Entwicklung der lokalen ländlichen Wirtschaft angekurbelt, sondern auch überschüssigen Arbeitskräften in den ländlichen Gebieten eine Perspektive geboten. Weiter sagte er:
„Die gute Entwicklung der Lebensmittelindustrie kann die Einkünfte der Landbevölkerung erhöhen und der Industrialisierung in den ländlichen Gebieten Impulse geben. Was auf dem Markt gefragt ist, bauen die Bauern an. Die ländlichen Unternehmen können zudem zahlreichen überschüssigen Arbeitskräften in den ländlichen Gebieten Beschäftigung und damit Verdienst geben.“
Durch die Entwicklung der ländlichen Unternehmen und den Aufschwung von kleinen Gemeinden in einer Reihe von dörflichen Regionen in China hat sich nicht nur die lokale Wirtschaft entwickelt. Zugleich verändert sich die Lebensweise der Bauern. Die traditionelle Lebensweise „Arbeiten von Sonneraufgang bis Sonnenuntergang“ wird zunehmend verdrängt, manche Bauern leben inzwischen bereits wie ihre Landsleute in der Stadt.
Das Dorf Huaxi, das zur Stadt Jiangyin in der ostchinesischen Provinz Jiangsu gehört, ist eine inzwischen landesweit bekannte kleine Gemeinde. Wie der 76jährige Zhao Bingqi aus dem Dorf erklärt, hätte er es sich früher nie träumen lassen, einmal in einer Villa zu wohnen, von der auch die meisten Stadtbürger nur träumen können:
„Ich bin schon viermal umgezogen. Und schon vor mehr als 20 Jahren habe ich mich das erste Haus mit mehren Etagen im Dorf Huaxi gebaut. Damals lag die Wohnungsfläche schon bei 450 Quadratmetern. Danach wurden hier immer mehr und schönere Etagenhäuser gebaut.“
Durch die Entwicklung der industriellen Wirtschaft auch auf dem Lande in den vergangenen mehr als 20 Jahren sind die meisten Bauern in Huaxi inzwischen Arbeiter in der Industrie. Jetzt werden im Dorf Huaxi überall Etagenhäuser gebaut, die Schulen, Kliniken, Kaufhäuser und Parks hier sind denen in den Städten völlig ebenbürtig. Zur Zeit liegt die Urbanisierungsquote in China bei 0,62% pro Jahr, also doppelt so hoch wie im Weltdurchschnitt. Im Zuge der Urbanisierung werden viele kleine Gemeinden wie das Dorf Huaxi zu Zentren der lokalen ländlichen Wirtschaft.
Natürlich sind die Veränderungen in Huaxi nur ein Mosaiksteinchen im Gesamtbild der Entwicklung der ländlichen Wirtschaft in China. Mit der verstärkten Unterstützung für die ländlichen Gebiete in Zukunft werden sich die ländliche Wirtschaft und das Leben der Landbevölkerung weiterhin verbessern.